Hitzewelle: Darum wird es in diesem Jahr schon Ende Juni richtig heiß

Der Juni 2025 läuft auf den letzten Metern noch einmal zu Hochtouren auf. Zum Wochenende erfasst die erste richtige Hitzewelle des Jahres das ganze Land. Vor allem dem Süden Deutschlands stehen mehrere sehr heiße Tage am Stück bevor; von Sonntag an klettern die Spitzenwerte verbreitet auf 35 Grad Celsius, manche Wettermodelle rechnen zu Beginn der kommenden Woche sogar mit bis zu 40 Grad. Entsprechend startet auch der Juli brüllend heiß. Ist das der Anfang eines extremen Hitzesommers?
Tatsächlich schätzen Meteorologen die bevorstehende Wetterlage als ungewöhnlich ein. Dass es schon so früh im Sommer mehrere Tage in Folge so heiß wird, kommt nicht jedes Jahr vor. Beeindruckend ist auch die Größe des Gebiets, das von der Hitze betroffen ist: Es erstreckt sich über den halben Kontinent. Von Portugal über Polen bis hin zum Balkan liegen die Temperaturen um teilweise bis zu 12 Grad Celsius höher als sonst zu dieser Jahreszeit üblich. In Portugal, Spanien und Frankreich sind sogar Maximalwerte von bis zu 45 Grad möglich.
Die Meteorologin Jacqueline Kernn vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bezeichnet die bevorstehende Hitzewelle als »unglaublich heiß«. Am höchsten könnten die Temperaturen ausgerechnet an ihrem Wohn- und Arbeitsort in Offenbach steigen, denn für das Rhein-Main-Neckar-Gebiet sind die höchsten Werte vorhergesagt. Das Modell des Deutschen Wetterdienstes setzt aktuell für Dienstag, 1. Juli 2025, eine glutrote 42 in die Region rund um Frankfurt am Main. Das wäre ein neuer Allzeitrekord. Doch das hauseigene DWD-Modell-Icon übertreibt bei Hitze gerne. So heftig wird es wohl eher nicht kommen.
Das Hitzehoch ist in höheren Luftschichten rekordverdächtig
Die Meteorologen staunen aber nicht nur über die Höchsttemperaturen in Europa. Gesprächsstoff bietet vor allem das ungewöhnlich starke und ausgedehnte Hochdruckgebiet, das die Hitzewelle über Europa auslöst. Wie ein Bollwerk erstrecke es sich von Portugal bis Griechenland, sagt Kernn. Es löst eine Südwestströmung aus, die Saharaluft über Spanien und Frankreich bis nach Mitteleuropa trägt. Um 10 bis 12 Grad wird es deshalb wärmer als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020.
Das Hitzehoch ist besonders in höheren Luftschichten rekordverdächtig; die Temperatur liegt am oberen Ende dessen, was für die Jahreszeit nach derzeitigem Wissen möglich ist. Zu Wochenbeginn wird es in 5500 Meter Höhe außergewöhnlich warm, verbreitet steigt die Temperatur auf mehr als minus 5 Grad Celsius. Eine derart warme Luftmasse liegt im Juni normalerweise über Nordafrika und strömt nur alle paar Jahre über die Alpen. Der bisherige Temperaturrekord in dieser Höhe für Juni liegt bei minus 4,88 Grad. Die Folge: Die Nullgradgrenze klettert auf beinahe 5000 Meter Höhe und damit über die höchsten Gipfel der Alpen.
Am beeindruckendsten ist aber ein anderer Parameter: das so genannte Geopotenzial. Das ist eine Messgröße der Meteorologie, die bei der Interpretation von Höhenwetterkarten hilfreich ist. Am besten geeignet ist dafür die Fläche des Druckniveaus bei 500 Hektopascal, weil diese etwa in der Mitte der Troposphäre liegt, die unser Wetter bestimmt. Während Bodenwetterkarten den Luftdruck immer auf Meeresspiegelniveau zeigen, ist es bei Höhenwetterkarten umgekehrt. Sie zeigen, in welcher Höhe ein konstanter Druck von exakt 500 Hektopascal zu finden ist. Auf Bodenwetterkarten gibt es deshalb Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks), auf Höhenwetterkarten Isohypsen (Linien gleicher Höhe). Die Höhen und Täler der Höhenwetterkarte sind farblich markiert, damit man sie sofort unterscheiden kann.
Das Geopotenzial ergibt sich aus der Durchschnittstemperatur zwischen dem Meeresspiegel und eben der Druckfläche von 500 Hektopascal; es wird in der Einheit Geopotential Decameter (gdpm) angegeben. Das klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Wärmere Luft ist leichter und dehnt die Atmosphäre nach oben aus, kältere Luft ist schwerer und staucht die Luftschichten. Die fluffig heiße Wüstenluft nun, die zum Wochenende nach Mitteleuropa zieht, hebt das 500-Hektopascal-Niveau auf 6000 Meter an. Das zeigt, wie unglaublich stark das Höhenhoch ausgebildet ist. Zum Vergleich: Bei durchschnittlichem Druck liegen 500 Hektopascal auf 5520 Meter Höhe (552 gdpm). Gemittelt ist das die Frontalzone. Bei Orkantiefs liegt die Fläche oft bei 4800 Meter (480 gpdm).
Wie in einem Kochtopf köchelt die Luft vor sich hin und heizt sich weiter auf
Das Hochdruckgebiet, das sich vom Wochenende an über Süd- und Mitteleuropa wölbt, ähnelt einer Glocke. Meteorologen sprechen auch von einer Hitzeglocke. Darunter ist die Wüstenhitze gefangen und kann nicht entweichen. Da es kaum Luftdruckunterschiede gibt, können sich die Luftmassen nicht austauschen. Die Folge: Wie in einem Kochtopf köchelt die Luft vor sich hin und heizt sich weiter auf. Dazu kommt, dass Ende Juni der Sonnenhöchststand erreicht ist und die Sonne maximal einstrahlen kann. Da in einem Hochdruckgebiet die Luft absinkt, trocknet sie weiter ab und erwärmt sich zusätzlich. Die Wetterlage scheint wie eingefahren.
Allmählich wird wegen der hohen Verdunstung und dem ausbleibenden Regen die Trockenheit zu einem ernst zu nehmenden Problem. Vor allem im Südwesten hat es seit Pfingsten kaum geregnet. Zudem wächst die Waldbrandgefahr deutschlandweit; zu Wochenanfang klettert sie verbreitet auf die zweithöchste Warnstufe. In Teilen Ostdeutschlands ruft der DWD sogar die höchste Warnstufe aus. Gefährlich wird die Hitze vor allem für Senioren und Kinder, denn wegen der Länge der Hitzewelle und ausbleibender Abkühlung in der Nacht, dürften sich die Wohnungen in den Städten aufheizen und ihre Bewohner um den Schlaf bringen. Die Wärmebelastung nimmt von Tag zu Tag zu. Sogar im Norden, der bislang kein richtiges Sommerwetter erlebt hat, kann es für kurze Zeit heiß und drückend werden.
Der Jetstream macht gerade einen Bogen um Mitteleuropa
Im Süden dagegen ist der Sommer seit Pfingsten Dauergast. Der Grund: Die Wetterlage ist äußerst stabil. Das kräftige Hoch, das jetzt die Hitzewelle auslöst, ist ein Ableger des Azorenhochs über dem Atlantik. Im Süden und in der Mitte des Landes sorgt es seit mehreren Wochen für sommerliches Wetter. Der Norden stand längere Zeit unter dem Einfluss eines Trogs über dem Atlantik, weshalb der Juni dort bislang sehr wechselhaft verlief. Die Störungen erreichten zwar auch die Alpen, brachten aber keinen nachhaltigen Wetterwechsel. Schnell baute sich nach einer kurzen Abkühlung ein neues Hoch auf. Der Jetstream, der kühles und wechselhaftes Wetter bringt, macht derzeit einen Bogen um Mitteleuropa. Der Höhenwind strömt über Schottland und Skandinavien nach Osteuropa. Dort ist es in diesem Sommer bislang vergleichsweise kühl. Wer also gerade einen Urlaub in Skandinavien oder Osteuropa plant, hat das Nachsehen.
Doch die Frage ist: Bleibt das so? Derzeit ist noch unklar, wie lange das Hochdruckbollwerk durchhält. Manche Wettermodelle lassen die Hitzewelle zum Ende der ersten Juliwoche abrupt enden, andere prognostizieren zur Wochenmitte nur eine leichte Abkühlung. Vor allem der Süden könnte die gesamte Woche mit der heißen Luft zu kämpfen haben. Fest steht bloß, dass selbst bei einem abrupten Ende der Hitzewelle die Heißluft in Lauerstellung bliebe. Rund um das Mittelmeer hat sich schon früh in diesem Jahr extreme Hitze gebildet und das westliche Mittelmeer stark aufgeheizt. Die Temperaturen liegen im Schnitt vier Grad über den Normalwerten, an den Küsten Südfrankreichs und Spaniens ist das Wasser sogar um sechs Grad wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit. Noch nie seit Aufzeichnungsbeginn lagen die Wassertemperaturen Ende Juni höher, und sie steigen weiter an.
Ob sich durch die Erderwärmung auch die Strömungsmuster der Atmosphäre verändern und mehr stationäre Wetterlagen bringen, ist noch Gegenstand kontroverser Diskussionen
Dass die Sommer kontinuierlich heißer und trockener werden, ist eine inzwischen unter Experten unbestrittene Folge des Klimawandels. Ob sich durch die Erderwärmung aber auch die Strömungsmuster der Atmosphäre verändern und mehr stationäre Wetterlagen bringen, die solche Extremlagen begünstigen, ist noch Gegenstand kontroverser Diskussionen. Kürzlich hat eine Studie in der Fachzeitschrift »PNAS« eine klimawandelbedingte Zunahme solcher stationären Wetterlagen beschrieben; der Weltklimarat IPCC war in seinem jüngsten Bericht allerdings nicht überzeugt, dass der Jetstream wegen des Klimawandels wirklich häufiger ins Stocken gerät.
Insgesamt wäre es jedenfalls eine gute Nachricht, wenn der IPCC mit seiner Einschätzung Recht behielte. Denn Fakt ist: Bliebe Mitteleuropa künftig häufiger für mehrere Wochen unter dem Einfluss des aktuellen Bollwerks, könnte sich der Sommer zu einer gefährlichen Jahreszeit entwickeln. Meteorologen wie Jacqueline Kernn rechnen zumindest in diesem Jahr so schnell nicht mit einer durchgreifenden Änderung der Großwetterlage. Die Heißzeit könnte länger dauern, als vielen lieb ist.
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