Aids: Hoffnung auf HIV-Impfstoff mit mRNA

Seit fast vier Jahrzehnten sucht man nach einem Impfstoff gegen das Humane Immundefizienz-Virus (HIV). Alle Impfstoffkandidaten scheiterten bisher in klinischen Studien an mangelnder Wirksamkeit. Nun ist es US-Wissenschaftlern (unter anderem des Pharmaunternehmens Moderna) gelungen, durch den Einsatz der mRNA-Technologie gängige Probleme bei HIV-Vakzinen zu umgehen. Der neue Impfstoff rief in einer ersten Studie bei Labortieren eine stärkere Immunantwort hervor als herkömmliche Kandidaten und wurde anschließend erfolgreich in einer klinischen Phase-1-Studie an Menschen getestet. Die Ergebnisse erschienen in »Science«.
Bei HIV testet man derzeit mehrere Typen von Impfungen. Unter anderem setzt man darauf, (ungefährliche) Bruchstücke des Erregers in den Körper zu injizieren. Gelangt nun das echte Virus in den Körper, sollen die gebildeten Antikörper es unschädlich machen. Ziel ist es, einen Impfstoff herzustellen, der die Bildung sogenannter breit neutralisierender Antikörper bewirkt. Diese sehr effektiven Antikörper richten sich gegen bestimmte Stellen der Virushüllproteine (meist das Envelope-Protein). Bei früheren Vakzinen setzte man lösliche Proteine ein. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass Antikörper gebildet werden, die nur die Basis des Hüllproteins angreifen, die aber normalerweise unzugänglich im Virus verankert ist. Die darauffolgende Immunantwort war daher in den bisherigen Studien unzureichend.
Mithilfe der neuen mRNA-Technik können Envelope-Proteinstrukturen in den Zellen des Empfängers produziert werden, die sofort in die Zellmembran eingebaut werden, sodass ihre Basis verdeckt ist. Dadurch werden die Akteure des Immunsystems auf das wirksame Ziel gelenkt. In einer vorherigen Studie entwickelten Forschende um Parham Ramezani-Rad vom Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien) diesen Ansatz und testeten mRNA-Impfstoffe in zwei Versionen an Tieren: einen, der eine lösliche Form des Envelope-Proteins liefert, und einen zweiten, der zur membrangebundenen Form führt. Bei Kaninchen und Makaken löste Letzterer eine stärkere Immunantwort aus und hatte auch weniger Nebenwirkungen.
In der zweiten Studie bauten Katherine Parks vom Fred Hutchinson Cancer Center in Seattle und ihre Kollegen auf diesen Ergebnissen auf. Sie evaluierten die Sicherheit und die vorläufige Wirkung des mRNA-Impfstoffs an 108 gesunden Menschen in einer klinischen Phase-1-Studie. Das gebildete membranverankerte Protein erzeugte bei 80 Prozent der Freiwilligen neutralisierende Antikörper, während die lösliche Variante nur bei 4 Prozent der Empfänger eine vergleichbare Antikörperreaktion hervorrief. Insgesamt vertrugen die Probanden die Impfstoffe gut und es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. Allerdings entwickelten 6,5 Prozent von ihnen eine Nesselsucht.
»Das ist eine große Verbesserung gegenüber den meisten früheren Impfstoffkandidaten«Seth Cheetham, Molekularbiologe
»Das ist eine große Verbesserung gegenüber den meisten früheren Impfstoffkandidaten, die weniger zielgerichtet waren und selten solche starken Immunreaktionen auslösten«, sagte Seth Cheetham, Direktor des australischen mRNA Cancer Vaccine Centre der University of Queensland, gegenüber dem Science Media Center. »Wenn die Nebenwirkungen in den Versionen der nächsten Generation reduziert werden können und die Ergebnisse in größeren Studien unter realen Bedingungen in der Bevölkerung bestätigt werden, könnten mRNA-Impfstoffe ein bahnbrechendes Instrument im Kampf gegen HIV sein«. Trotz der vielversprechenden Ergebnisse sei der neue Impfstoff kein unmittelbarer Durchbruch, sagt Georg Behrens, Immunologe an der Medizinischen Hochschule Hannover, gegenüber der Tagesschau: »Die Studie zeigt ein Prinzip, aber der Impfstoff wird so nicht direkt beim Menschen eingesetzt.«
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