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News: Hochspannung

Unser Körper steht ständig unter Strom. Die Körperzellen reagieren auf Reize der Außenwelt durch Spannungsänderungen an ihrer Zellmembran. Die Ladung fließt dabei durch sich öffnende und schließende Ionenkanäle, und die Reaktionszeit nach einer solchen Spannungsänderung ist bei "normalen" Körperzellen länger als etwa bei den hochspezialisierten Haarsinneszellen im Innenohr - dachte man bisher. Jetzt haben Forscher nachgewiesen, dass auch einfache Körperzellen Reize genauso schnell beantworten wie ihre Sinneszellenverwandten. Die gesamte Zellmembran, nicht nur der Ionenkanal, gerät dabei in Bewegung.
Mit einer Doppelschicht aus wasserabstoßenden Lipiden schottet eine Zelle ihr Inneres von der Außenwelt ab und kann so ein eigenes Milieu aufbauen. Sie ist aber auf einen Im- und Export von Molekülbausteinen und Stoffwechselprodukten angewiesen. Deren Transport durch die Membran gestaltet sich oft problematisch, da geladene und wasserlösliche Stoffe nicht ohne weiteres hindurch geschleust werden können.

In der Membran sind deshalb verschieden große Schleusen eingebaut, die Ionenkanäle, die durch Spannungsänderungen innerhalb von Millisekunden geöffnet und geschlossen werden. Die Rolle des Schleusentores erfüllt ein Protein. In dem sich dieses Eiweißmolekül bewegt, öffnet oder schließt sich der Durchgang, der Baustein kann passieren.

Frederick Sachs und seine Kollegen von der University at Buffalo in Buffalo wollten eigentlich Bewegungen und Reaktionszeit der Ionenkanäle von unspezialisierten Körperzellen beim Anlegen von Spannungsänderungen messen. Doch als sie die Schleusentore mit einem Rasterkraftmikroskop unter die Lupe nahmen, waren sie verblüfft: Nicht nur die Ionenkanäle bewegten sich, auch die Zellmembran schwang in schnell hin und her.

Für das Ausführen dieser Bewegungen sind keine spezialisierten Proteine und Lipide notwendig, stellen die Wissenschaftler außerdem fest. Verdünnten sie die zellumgebende Lösung, konnte die Bewegung rückgängig gemacht werden. Derart schnelle Bewegungen sind bisher nur von Sinneszellen bekannt.

Besonders die Spannungsänderungen an Nerven- und Muskelgewebezellen sind gut erforscht, dazu zählen auch die Haarsinneszellen im Innenohr. Bei ihnen wurden Reaktionszeiten auf Spannungsänderungen kürzer als eine Millisekunde gemessen. Für ihre Härchenbewegung wurde bisher als "molekularer Motor" das Membranprotein Prestin verantwortlich gemacht. Spannungspotenziale an Körperzellen und deren Bewegungsfähigkeit galten bisher dagegen weitgehend als "Terra incognita".

Die offensichtlich universelle Fähigkeit von Zellmembranen "normaler" Körperzellen zur Bewegung und deren kurze Reaktionszeit stellen die Rolle des Prestins als "molekularer Motor" für die Ohrsinneszellen in Frage. Da allgemein durch Bewegungen Schallwellen entstehen, vermuten die Forscher ihr Entstehen auch bei schwingenden Membranen. Dann könnten diese Wellen bei aktiven Gehirnzellen aufgezeichnet und wahrscheinlich ähnlich eines Elektroencephalogramms (EEG) zur Diagnose von Gehirn-Fehlfunktionen verwendet werden.

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