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Fortpflanzung: Hochzeitsschrein für Spermien

"Gehet hin, seid fruchtbar und mehret euch!" Diesem göttlichen Auftrag Folge zu leisten, ist meist kein Problem. Keinesfalls gelingt es jedoch, wenn den männlichen Keimzellen ein neu entdecktes Oberflächenprotein fehlt.
Spermien auf Wanderschaft
Es kann nur eines geben. Beim turbulenten Rennen der Millionen von Spermien um die Gunst der Eizelle bleiben die meisten auf der Strecke, einige wenige scheitern erst direkt vor dem Ziel, und lediglich das Allerschnellste hat seine Nase weit genug vorne, um als Einziges in die Eizelle hineinzugelangen.

Dazu reicht es aber nicht, nur besonders flink zu sein, sondern das Spermium muss zudem über einige besondere Fähigkeiten verfügen: Trifft es auf die Gallerthülle der Eizelle, schleudert es den Inhalt seines Akrosoms aus, eines in der Spermiumsspitze gelegenen Sackes voller Enzyme. Die freigesetzten Substanzen unterstützen die Samenzelle, wenn sie sich durch die äußere Hülle bis zur Plasmamembran der Eizelle durcharbeitet. Erst dann ist das Ziel erreicht, und die Membranen von Ei und Spermium verschmelzen. Die Vereinigung der Beiden bleibt nicht ohne Wirkung auf die langsameren Konkurrenten: Die Membran der Eizelle verändert sich dergestalt, dass alle später eintreffenden Bewerber vor verschlossener Tür stehen.

Die Verschmelzung mit der Eizelle gelingt dem Sieger aber nur dann, wenn die notwendigen Bindungsmoleküle vorhanden sind. So hat keines der Spermien auch nur die geringste Chance auf Erfolg, wenn der Eizelle das Oberflächeneiweiß CD9 fehlt. Dann können sich die Spermien zwar an der Eizelle anheften, es gelingt ihnen aber nicht, in sie einzudringen. Ebenso braucht das Spermium auf seiner Membran ein bestimmtes Protein, ohne das es nicht ans Ziel gelangt, wie Masaru Okabe von der Universität Osaka und seine Mitarbeiter nun herausfanden.

Die Wissenschaftler spürten das Protein, das sie nach einem japanischen Hochzeitsschrein "Izumo" tauften, mit Hilfe von Antikörpern auf der Oberfläche von Mausspermien auf; ein entsprechendes Eiweiß fanden sie auch bei menschlichen Sperma. Izumo war aber nicht auf frischen Samenzellen vorhanden, sondern tauchte erst nach der Akrosomreaktion auf. Dies legte nahe, dass das Oberflächenprotein bei der Verschmelzung von männlicher und weiblicher Keimzelle ein Rolle spielt.

Um dies zu überprüfen, schufen sich die Forscher Mäuse, deren Sperma das Protein fehlt. Diese Nager sahen vollkommen normal aus und waren gesund – nur konnten die Männchen keinen Nachwuchs zeugen. Ihre Spermien waren optisch unauffällig, voll bewegungsfähig und zur Akrosomreaktion in der Lage – und dennoch verschmolzen sie nicht mit Eizellen.

Injizierten die Wissenschaftler jedoch die Samenzellen der Mangelmutanten von Hand in Eizellen und implantierten diese in weibliche Mäuse, so entwickelten sich diese Embryonen nicht anders als normale Retortenmäuse. Damit war klar: Izumos alleinige Aufgabe ist es, für den Vollzug der Verschmelzung von Spermium und Eizelle zu sorgen. Wie es das im Einzelnen bewerkstelligt, darüber können die Forscher zunächst nur spekulieren. Möglicherweise arbeitet es mit CD9, dem Bindungsprotein der Eizelle, zusammen.

Da im Reagenzglas ein Antikörper gegen die menschliche Variante von Izumo verhinderte, dass humane Spermien mit Hamster-Eizellen fusionierten – ein gängiger Test für die männliche Fertilität –, hoffen die Forscher, dass die Entdeckung des Oberflächenproteins neue Strategien in der Behandlung von Unfruchtbarkeit birgt. Möglicherweise kann Izumo auch als neuer Angriffspunkt für Verhütungsmittel dienen – dann bleibt das große Rennen der Spermien um die Eizelle ohne Sieger.

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