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News: Hören mit Hirn

Woher kommt ein Geräusch? Zwei Ohren helfen zu unterscheiden, ob von rechts oder links. Aber wir hören auch, woher ein Ton stammt, wenn er über oder hinter uns liegt. Der Vorgang ist allerdings weitaus komplizierter.
Musik aus der Dose stereo wiederzugeben – das war einst eine Revolution. Der Gitarrist links, der Sänger rechts, der Schlagzeuger in der Mitte: Dieses Empfinden liefert uns mittlerweile jeder noch so kleine Walkman. Wer heute in einen Star-Wars-Film geht, glaubt die Raumschiffe und deren Salven aus Laserkanonen bald über, unter, vor oder hinter sich zu hören. Solange einem Hören und Sehen dabei nicht vergeht, entsteht ein intensiver räumlicher Eindruck. Wie aber gelingt es unseren Ohren in Kooperation mit dem Gehirn, Töne aus verschiedenen Richtungen zu unterscheiden?

Wie ein links oder rechts auf einer horizontalen Linie liegendes Geräusch unterschieden werden kann, ist leicht zu erklären: Kommt ein akustisches Signal zum Beispiel von links, erreicht es zuerst das linke Ohr, dann das rechte, da es unterschiedliche Entfernungen bis zur Ohrmuschel zurücklegt. Außerdem ist es an jeweils einem der beiden Ohren lauter oder leiser. Dieses Problem kann das Gehirn auf Basis der unterschiedlichen Signale aus dem Hörapparat lösen.

Geräusche von oben oder hinten kann es aber nicht durch diesen Unterschied der Zeit und der Intensität eines Signals orten. Bei der vertikalen Lokalisierung müssen zwei völlig unterschiedliche Informationen integriert werden: der gehörte Ton und die Ausrichtung von Kopf sowie Ohren. Denn mit dem Winkel der Ohren zur Hörquelle ändert sich die Art der Verzerrung des Signals. Nur eine Kombination aus beiden Informationen hilft weiter.

Des Rätsels Lösung liegt in den Zellen des Cochleariskerns (Nucleus cochlearis). Dieser Kern ist die erste Umschalt- und Verarbeitungsstation für im Gehirn eintreffende Signale. Er besteht aus drei verschiedenen Unterkernen, wovon der so genannte posteroventrale die Unterscheidung in links und rechts auf horizontaler Linie bewerkstelligt.

Donata Oertel von der University of Wisconsin und Kiyohiro Fujino von der Kyoto University widmeten sich aber dem dorsalen Cochleariskern. Denn sie hatten bereits herausgefunden, dass der dorsale Cochleariskern die Ausrichtung des Kopfes und die Tonfrequenz unterschiedlich verarbeitet: Die in diesem Kern hauptsächlichen vorhandenen spindelförmigen Zellen werden durch die zwei Informationsarten unterschiedlich angeregt.

Doch wie funktioniert das genau, und warum können die Zellen zwei verschiedene Informationen verarbeiten? Zu diesem Zweck beobachteten die beiden Wissenschaftler die Übertragung von elektrischen Nervensignalen zwischen einzelnen Zellen des dorsalen Cochleariskerns. Ihr Fokus lag also auf den Synapsen, welche die Information zwischen zwei Zellen übertragen.

Überraschenderweise verhielten sich die spindelförmigen Zellen unterschiedlich, je nachdem, welche Signale durch die Synapsen jagten. Bei akustischen Informationen wurden die Synapsen nicht durch vorausgegangene Erregungen beeinflusst – ihre Reaktion war stets gleich, also stabil. Transportierten die Zellen Informationen über die Position des Kopfes und der Ohren, führten häufige Signale zu stärkeren, wenige zu schwächerer Reizweiterleitung – eine veränderliche oder plastische Reaktion. Die plastische Reaktion hilft dem Gehirn laut Oertel offensichtlich, sich auf verschiedene Neigungswinkel des Kopfes einzustellen.

Oertel und Fujino hatten einen seltenen Fall aufgedeckt: Nur wenige Zellen können sowohl plastisch als auch stabil reagieren. Die Zellen sind dadurch in der Lage, unterschiedliche Informationen zu unterscheiden und gleichzeitig an einem Ort zu bearbeiten. Die flexiblen Zellen lassen den Krieg der Sterne über und hinter uns kommen – glücklicherweise nur im Kino.

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