Wissenschaft im Alltag: Hörgeräte - Orientierung auf der Cocktailparty
Hören, das bedeutet Schallwellen in neuronale, also elektrische Signale umzuwandeln und im Gehirns auszuwerten. Digitale Systeme simulieren immer mehr Fertigkeiten der akustischen Wahrnehmung.
Auf dem Weg von Schallwelle zu elektrischem Impuls werden im menschlichen Hörapparat zunächst die Luftbewegungen über Trommelfell und Gehörknöchelchen auf die Basilarmembran des Innenohrs übertragen. Deren Vibrationen bewegen die Haare der inneren Haarzellen. Diese wiederum erzeugen Ionenströme und setzen Botenstoffe für die Weiterleitung durch den Hörnerv frei. Wird das komplexe System durch Krankheiten oder Alterungsprozesse stark gestört, sind die Folgen für den Betroffenen schwer wiegend, denn ein Großteil der menschlichen Kommunikation erfolgt durch Sprache.
Je nach Ursache der Behinderung erleichtern Hörgeräte das Los der Erkrankten. Analoge Geräte trennen das über ein Mikrofon aufgenommene akustische Signal meist nur in tiefe, mittlere und hohe Frequenzen und verstärken jeden dieser drei Kanäle für sich. Digitale Systeme – seit 1996 auf dem Markt – unterscheiden bis zu 22 Frequenzbänder, die sie separat analysieren und in der Lautstärke differenziert anheben. Zudem versuchen die Entwickler, die technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um ein "komfortables" Hören zu ermöglichen. So empfinden Schwerhörige laute Geräusche oft als besonders unangenehm, vermutlich infolge defekter äußerer Haarzellen. Normalerweise erweitern diese Strukturen den Dynamikbereich des Gehörs, indem sie starke Schwingungen der Basilarmembran dämpfen und schwache verstärken. Getrennt für jedes Frequenzband hebt eine individuell einstellbare Automatik deshalb leise Signale deutlich an und verstärkt laute nur wenig.
Hintergrundgeräusche sind ein weiteres Problem, da sie das Sprachsignal überlagern. Hörgeräte filtern deshalb im ersten Schritt Frequenzen unterhalb von 100 bis 200 Hertz heraus, wie sie zum Beispiel Motoren erzeugen. Digitale Systeme suchen zudem in den verschiedenen Frequenzkanälen nach Sprachsignalen, beispielsweise anhand statistischer Eigenschaften, um dann Störungen durch Filter zu unterdrücken.
Selbst der Cocktailparty-Effekt lässt sich heute mit Hörgeräten erreichen. Der normal Hörende verfügt über ein Arsenal physiologischer Funktionen, um selbst bei hohem Geräuschpegel zu verstehen, was sein Gegenüber ihm erzählt. Kommt das Signal beispielsweise von links, die Störung aber von rechts, verarbeitet das Gehirn bevorzugt die Informationen des linken Ohrs (Kopfschatten-Effekt). Aber auch bei nur leichten Richtungsdifferenzen vermag das gesunde Gehör Signal und Rauschen gut zu differenzieren. Dies zu imitieren setzt eine Richtcharakteristik des Mikrofons voraus: Seine Empfindlichkeit ist nach vorn maximal, zur Seite aber gering (so genannte Nierencharakteristik).
Digitale Hörgeräte arbeiten mit zwei bis drei Mikrofonen, die miteinander gekoppelt werden. Entdecken die Signalprozessoren kein Sprachsignal, empfängt das System aus allen Richtungen gleichermaßen. Ansonsten steuern sie die Mikrofone so, dass eine Richtcharakteristik entsteht. Das Empfindlichkeitsminimum weist dann in Richtung der störenden Lärmquelle. Sogar wenn sich diese bewegt – etwa ein Auto – lässt sich die Störung auf diese Weise abdämpfen, ohne dass der Schwerhörige den Vorgang bemerkt. Leider stoßen die heutigen Spracherkennungsverfahren noch an Grenzen, sobald mehr als eine Person redet.
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