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News: Holpriger Königsweg

Viele Wissenschaftler bezeichnen sie als elegante Alternative aus einer schwierigen ethischen Zwickmühle: die Therapie mit adulten Stammzellen. Neue Untersuchungen werfen jetzt aber Steine auf den ohnehin steilen Ausweg. Waren schon die ersten Schritte nur Augenwischerei?
Stammzellen gelten als die kommenden Wunderwaffen gegen Parkinson-Krankheit, Herzleiden und eine Reihe weiterer ernster Erkrankungen. Den lautstarken Rummel um ihre medizinische Potenz verdanken sie der Tatsache, dass ihre weitere Entwicklung, anders als bei allen anderen Zelltypen, noch nicht endgültig festgelegt ist. Man vermutet daher, dass sie in den unterschiedlichsten Gewebetypen zelluläre Ausbesserungsarbeiten durchführen können – egal, ob sie dabei erkrankte Nerven-, Herz- oder Muskelzellen ersetzen sollen.

Entscheidend ist allerdings, dass die zur Heilung eingesetzten Stammzellen nicht vom Immunsystem bekämpft werden dürfen. Um das körpereigene Verteidigungssystem zu umgehen, könnte man aber zur Therapie eigens aus den Patienten geklonte embryonale Stammzellen einsetzen: Eine mögliche medizinische Lösung, die gleichzeitig schwerwiegende ethische und politische Bedenken ausgelöst hat.

Einige Wissenschaftler arbeiten an Alternativen. Statt embryonaler sollen adulte Stammzellen, gewonnen zum Beispiel aus dem Knochenmark der Patienten, ihre genetisch identischen, kranken Schwesterzellen ersetzen. Vermieden würde damit der gesellschaftspolitisch umstrittene Verbrauch von nur zu diesem Zweck erzeugten Embryos, und gleichzeitig das Problem fehlender Immuntoleranz.

So weit die Theorie. Aber auch in der Praxis schienen die ersten Hürden auf dem langen Weg bis zu einer realen medizinischen Anwendung schon überwunden. Einige Studien haben zuletzt darauf hingedeutet, dass adulte Stammzellen, die aus einem Gewebetyp, zum Beispiel dem Blut, entnommen werden, in einem anderen Gewebetyp neue Zelltypen, zum Beispiel Nervenzellen, bilden können.

Diese erfreulichen Ergebnisse haben die Wissenschaftswelt überrascht. Bislang galt es noch als sicher, dass bestimmte adulte Stammzellen nur ihnen vorbestimmte Zelltypen bilden können. Austin Smith und seine Mitarbeiter von der University of Edinburgh sowie Naohiro Terada von der University of Florida haben deshalb jetzt in neuen Experimenten genauer hingeschaut – und melden starke Zweifel an. Sie fanden heraus, dass adulte Stammzellen unter bestimmten Bedingungen nicht etwa gesundes Neugewebe bilden, sondern nur mit Zellen in ihrer Nachbarschaft verschmelzen. Solcherart entstandene Fusionszellen sind genetisch abnormal: Sie enthalten eine verdoppelte Menge genetischer Information, und könnten möglicherweise sogar neue Krankheiten auslösen.

Die Wissenschaftler fordern jetzt, bei allen zukünftigen Experimenten genauer zu prüfen, ob adulte Stammzellen tatsächlich neue Zellen bilden und nicht nur mit Nachbarzellen fusionieren. Diese Möglichkeit wurde bisher noch gar nicht in Betracht gezogen. Ein wichtiger Punkt, stimmt Diane Krause von der Yale University zu, und Fred Gage vom Salk Institut in La Jolla hält es für "durchaus möglich", dass bisherige Versuchsergebnisse falsch interpretiert worden sind. Einig sind sich die Wissenschaftler auch darin, die vielversprechenden Resultate sorgfältig auf mögliche Stammzellfusion überprüfen zu wollen.

Sogar Terada und Smith, die Forscher, die mit ihren kritischen Experimenten den Stein ins Rollen gebracht hatten, schreiben die Therapie mit adulten Stammzellen unterdessen nicht ab. Zunächst müsse aber geklärt werden, auf welche Art und Weise transplantierte Stammzellen überhaupt kranke Gewebezellen ersetzten – ein langer und langsamer Weg der kleinen Schritte.

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