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Holzöfen: Der Qualm der Energiekrise

Holz gilt oft als klimaneutrale und umweltfreundliche Alternative zu Gas und Öl. Mitnichten, sagen Experten. Kein Brennstoff setzt mehr Schadstoffe und Kohlendioxid frei.
Qualmender Kamin im Wohngebiet
Die mehr als elf Millionen Holzöfen und 900 000 Pelletheizungen pusten mehr Feinstaub in die Wohngebiete als die rund 60 Millionen Autos und Lastwagen in Deutschland zusammen.

Es stinkt wieder in Deutschland, der Herbst ist da. Ungewöhnlich früh haben die Menschen im Land die Heizungen angeworfen, trotz Energiekrise möchte niemand im Kalten sitzen. Weil Gas und Öl teuer sind, horten die Deutschen wie besessen Holz. Ofenbauer sind für Monate ausgebucht, Holzscheite knapp und teuer – die Menschen kaufen, was sie in die Finger kriegen. Doch was da in den elf Millionen Holzöfen in Rauch aufgeht, bereitet Umweltforschern und Medizinern, aber auch immer mehr Klimaexperten große Sorgen. Dem Land droht ein veritabler Stinkewinter, womöglich der dreckigste seit einigen Jahrzehnten.

Wer die Energiekrise riechen will, muss abends nur vor die Tür treten. Schwere Rauchschwaden kriechen aus den Kaminen auf die Straßen und breiten sich in den Wohnvierteln aus. An Lüften ist nicht zu denken, und beim Abendspaziergang empfiehlt es sich, die Coronaregeln zu befolgen: Maske tragen.

Einer, der diesen Zustand kritisiert, ist der Aerosolforscher Achim Dittler. Der Professor am Karlsruher Institut für Technologie forscht seit Jahren zur Gasreinigung und Luftreinhaltung. Bei der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina war er 2019 Mitglied der Arbeitsgruppe »Grenzwerte der Luftverschmutzung«. In der Wissenschaft sei längst klar, welche fatalen Folgen das Verbrennen von Holz für Umwelt, Gesundheit und Klima habe, sagt Dittler. Kein Brennstoff setze – bezogen auf den Energiegehalt – mehr Schadstoffe und Kohlendioxid frei.

Daher rechnet er in diesem Winter mit einer deutlichen Verschlechterung der Atemluftqualität in vielen Wohngebieten. Besonders schlimm werde es in den Abend- und Nachtstunden sowie an den Wochenenden. Von einer bestimmten Uhrzeit an heißt es dann »Passivrauchen für alle«. Besonders schlecht könnte die Atemluft werden, wenn eine trübe, kalte Inversionswetterlage dominiere und der Dreck einfach nicht abziehen könne. Dittler fragt sich, wie viel Evidenz noch vorliegen muss, damit das Problem von Politik und Verbrauchern endlich ernst genommen wird.

Denn in den Holzöfen und Kachelöfen dürfte in diesem Winter nicht nur luftgetrocknetes Buchenholz verbrennen. »Hauptsache warm« heißt das Motto der Heizsaison 2022. Alles, was brennt, landet in den Flammen. Lackierte Möbel und lasierte Terrassendielen werden auf den gängigen Anzeigenportalen angeboten, sogar kunststoffbeschichtetes Altholz. Im Baumarkt gibt es Braunkohlebriketts. Und niemand sollte sich wundern, wenn der Nachbar öfter auch Abfälle im Ofen entsorgt.

Holz verbrennt nur unvollständig

Dass die Luftbelastung deutlich zunehmen wird, davon geht auch Ralf Zimmermann aus. Der Chemiker vom Helmholtz-Zentrum München und der Universität Rostock erforscht, was die »Gemütlichkeitskaminfeuer« an Schadstoffen freisetzen. Denn Holz verbrennt im Unterschied zu Öl und Gas unvollständig, vor allem wenn die Öfen falsch bedient werden. Dadurch entweichen Rußpartikel, an deren Oberfläche toxische Schadstoffe wie die Krebs erregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, kurz PAK, vorliegen. Metalle werden ebenfalls freigesetzt, sagt Zimmermann, außerdem große Mengen reaktiver und toxischer Gase wie Benzol oder Formaldehyd. Werden auch Althölzer mit Farben oder Spanplatten verheizt, könne es sogar zu »richtig gefährlichen Emissionen« kommen, darunter Dioxine und Blausäure.

Das Hauptproblem geht aber von den sehr kleinen Rußpartikeln aus, dem Feinstaub. Die mehr als elf Millionen Holzöfen und 900 000 Pelletheizungen pusten durch das meist filterlose Ofenrohr mehr Feinstaub direkt in die Wohngebiete als die rund 60 Millionen Autos und Lastwagen in Deutschland zusammen. Kein Wunder: Im Gegensatz zur Gasheizung emittiert ein Pelletofen 400-mal mehr Feinstaub, Kachelöfen sogar 1000-mal mehr, insgesamt rund 100 Mikrogramm pro Megajoule. Dabei gilt: Je kleiner die Stäube, desto gefährlicher sind sie, sagt Zimmermann. Vor allem die sehr kleinen Rußpartikel mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (Feinstaub PM2,5) dringen tief in die Lunge ein und sind deutlich gefährlicher als die größere Fraktion (Feinstaub PM10).

Doch was da täglich in die Wohngebiete gepustet wird, werde in der Regel nicht überwacht, sagt Achim Dittler. Dörfer und Kleinstädte müssten keine Messstationen aufbauen, um die Schadstoffe in der Luft aufzuspüren: »Auf dem Land wird einfach nicht gemessen«, sagt er. Und die Zahl der Messstellen ist tatsächlich überschaubar, bundesweit gibt es rund 360 Stationen für die gröberen Stäube (PM10) und nur 200 für den sehr feinen Staub (PM2,5), teilt Stefan Gilge vom Deutschen Wetterdienst mit. Allerdings existiert bei PM2,5 nur ein Jahresmittelwert, bei PM 10 zusätzlich zum Jahresmittelwert auch ein Tagesgrenzwert. »Daraus ergibt sich bereits, dass eine hohe zeitliche Auflösung nicht gefordert wird«, sagt Gilge. Flächendeckende und rechtssichere Messungen seien eben nicht leistbar.

Wirklich nicht? Für Achim Dittler gleicht das einem Persilschein fürs Kokeln. Und die wenigen bestehenden Messstellen, die nur Jahresmittelwerte messen, seien vollkommen ungeeignet, die Belastung zu erkennen. Also baute der Aerosolforscher Ende des Jahres 2020 eine Messstation in Stutensee, einer Kreisstadt bei Karlsruhe, auf, die Feinstaub der Fraktion 2,5 aufspürt. Die Werte bestätigten schnell den Eindruck der Anwohner: Die Luft war im Winter regelmäßig verschmutzt, im Wohngebiet war die Luft an manchen Tagen im Stundenmittel bis zu dreimal so stark belastet wie am Neckartor in Stuttgart, Deutschlands dreckigster Kreuzung. »Der Dreck kam eindeutig von den Holzöfen«, sagt Dittler. Andere Quellen konnte er ausschließen, da er die Werte mit zwei verkehrsnahen Stationen verglich.

Holzöfen sind konkrete Gefahr für die Sicherheit der Anwohner

An die Vorweihnachtszeit vor einem Jahr erinnert er sich noch genau. Plötzlich schoss an einem Abend die Feinstaubkurve der PM2,5 nach oben und flachte erst bei 144 Mikrogramm pro Kubikmeter wieder ab. 144 Mikrogramm feinster Staub. Das sei, wie einen Meter neben einem Raucher zu sitzen, sagt Achim Dittler. Ihm zufolge bestand an jenem Abend eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Anwohner. Der Rauch drang in die Lüftungssysteme der Häuser ein, mehrere Anwohner berichteten von Kopfschmerz und Übelkeit. Den Verursacher konnte Dittler schnell ausfindig machen, die hohen Werte konnten klar mit dem fragwürdigen Betrieb eines Holzofens in Zusammenhang gebracht werden.

Doch bei der Stadt habe man den Vorfall als Einzelfall abgetan und auf den Privatklageweg verwiesen, sagt Dittler. Dabei konnte er dank seiner Messungen belegen, dass die Einzelfälle zusammenhängen. Zudem konnte er beweisen, dass der fragliche Holzofen illegalerweise so installiert wurde, dass der Rauch in die Rezirkulationszone der Gebäude eingeleitet wurde. Dadurch verteilen sich die Gase bodennah und dringen in die Lüftungssysteme der Nachbarhäuser ein. Doch bei der Behörde nahm die Betroffenen niemand ernst. »Die Anwohner stehen da wie überempfindliche Idioten«, sagt Dittler.

»Feinstaub wirkt selbst bei relativ geringen Konzentrationen gesundheitsschädlich und wird als ›silent killer‹ bezeichnet«Thomas Berkemeier, Chemiker

Wie gefährlich Feinstaub für die Gesundheit ist, erforscht Thomas Berkemeier vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. »Feinstaub wirkt selbst bei relativ geringen Konzentrationen gesundheitsschädlich und wird als ›silent killer‹ bezeichnet«, sagt der Chemiker. Er verweist auf eindeutige Belege aus Toxikologie und Epidemiologie, wonach Menschen früher sterben, wenn sie an einem Ort mit höherer Luftverschmutzung leben. Nach neuesten Schätzungen ergeben sich, so Berkemeier, für Deutschland etwa 124 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr oder ein Verlust der Lebenserwartung um durchschnittlich 2,4 Jahre. Der Öffentlichkeit erschienen diese Zahlen aber oft unklar.

Dabei seien die Ergebnisse vielfach belegt; weniger gut verstanden sei nur, wie die Krankheiten genau entstehen und welche Bestandteile von PM2,5 besonders gefährlich sind. »Wir wissen, dass das Einatmen von Feinstaub zu oxidativem Stress führt und entzündliche Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zur Folge haben kann«, sagt Berkemeier. In einer Studie im Fachblatt »Environmental Science & Technology« aus dem Jahr 2021 zeigte er, dass schon bei geringen Feinstaubkonzentrationen von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft die natürliche Abwehrfunktion der Lunge umgangen wird und sich vermehrt Hydroxylradikale bilden. Diese führen zu Entzündungen, die die Menschen am Ende krank machen. Deshalb fordert die Weltgesundheitsorganisation strengere Grenzwerte. Sie sollen auf fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gesenkt werden, lautet die Empfehlung. In der EU liegt der Grenzwert aktuell noch bei 25 Mikrogramm. Dann hätte es sich zumindest dort, wo Messstellen stehen, schnell ausgekokelt im Land.

Denn Stutensee sei überall, sagt Achim Dittler. Das wisse er aus Zuschriften, die ihn aus dem ganzen Land erreichen. Und immer berichten die Betroffenen von derselben Erfahrung: Man fühlt sich ohnmächtig und alleingelassen. »Die Politik nimmt das Thema nicht ernst«, sagt Dittler. Niemand traue sich, das heiße Thema anzupacken. Und damit Millionen von Wählern zu vergraulen, die mit der Holzverbrennung vor allem Gemütlichkeit und Romantik verbinden. Er fordert daher ein Betriebsverbot der Komfortöfen.

Auf Twitter postet Dittler täglich, was Holzöfen im Land anrichten. Ofenhersteller und Lobbyverbände hätten Holz sehr erfolgreich als ökologisch und klimafreundlich umgelogen, sagt er, außerdem seien Abnahme und Kontrolle seitens der Behörden und Schornsteinfeger unzureichend oder ungeeignet. »Holzofengate ist größer als Dieselgate«, schreibt er in seinen Tweets, weil die Holzöfen niemals im Betrieb gemessen würden und die Hersteller keine Angaben über die wahren Emissionen machen. Auch die elektrostatische Partikelabscheidung, die so genannte Filterlösung, ist Dittler zufolge keine Lösung des Problems, weil die Abscheider weniger wirksam sind als die Filter, die in Fahrzeugen seit Jahrzehnten Stand der Technik sind – und vor allem alle gasförmigen Emissionen wie Stickoxide, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe durch eine reine Partikelabscheidung nicht gemindert werden können. Hierzu müssten zusätzlich Katalysatoren zur Abgasreinigung verwendet werden.

Bei Kohlendioxid helfen aber auch Katalysatoren nicht. Doch bis heute hält sich der Irrglaube, Holzverbrennung sei klimaneutral, weil bei der Verbrennung nur so viel CO2 freigesetzt würde, wie der Baum zuvor aufgenommen habe. Das ist grundsätzlich zwar richtig – der Kohlenstoff bleibt im Kreislauf –, allerdings unterschlägt diese Bilanzierung mehrere Faktoren. Einer davon ist die Zeit, denn die Bindung dauert Jahrzehnte. Wird sehr viel Holz verbrannt, wird auf einen Schlag sehr viel Kohlenstoff frei. »Und das in einer Zeit, in der wir die CO2-Emissionen deutlich senken müssen«, sagt die Energieexpertin Anke Weidlich von der Universität Freiburg. Dadurch falle das zusätzliche CO2 sofort ins Gewicht, während die Bindung durch nachwachsende Bäume erst in den kommenden Jahrzehnten stattfinde: »Bäume sind als Klimaschützer also lebend deutlich wirksamer als in Form von Brennholz.«

Doch wie groß ist der Klimaeffekt? Das Bundesumweltministerium, das Umweltbundesamt, Umweltverbände und Klimaforscher gehen sogar davon aus, dass die CO2-Emissionen bei der Holzverbrennung höher seien als bei der Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas. Holz ist demnach klimaschädlicher als fossile Brennstoffe. Grund hierfür sei die geringere Effizienz bei der Verbrennung von Holz. Dadurch werde für die gleiche Kilowattstunde Wärme oder Strom noch einmal mehr Biomasse benötigt und damit mehr CO2 freigesetzt, sagt Anke Weidlich. Das Europaparlament hat deshalb Mitte September eine erste revolutionäre Entscheidung gefällt: Die Verfeuerung von gesunden, frisch gefällten Bäumen wird künftig gedeckelt und nicht mehr gefördert. Holz gilt aber weiterhin als erneuerbare Energiequelle.

Dem Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus von der Universität Freiburg ist es vor allem wichtig, die Klimaschutzwirkung der Holzverbrennung auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage einzuschätzen. Allerdings sei die exakte Budgetierung der CO2-Bilanzen sehr kompliziert und hänge von bestimmten Annahmen ab, die wiederum mit großen Unsicherheiten verbunden sind. Den Vergleich der Energiedichte von Holz, Öl und Gas, wie sie beispielsweise vom Umweltbundesamt vorgenommen werde, hält er für zu simpel und wenig aussagefähig, solange man nicht wisse, woher das Holz stammt und was damit alternativ passiert, wenn es nicht verbrannt wird. Dennoch ist auch er der Auffassung, dass man Holz so weit wie möglich für langlebige Produkte verwenden sollte, statt es zu verbrennen – für Möbel etwa oder eben Holzhäuser, um den Kohlenstoff zu speichern und die Emissionen in der Baubranche zu reduzieren.

Das wird vorerst allerdings keinen Ofenbesitzer davon abbringen, auf das knisternde Erlebnis mit der molligen Wärme zu verzichten. Der Winter ist lang, zur Wochenmitte wird es empfindlich kühl. Am besten bleibt die Maske also auch draußen auf.

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