Direkt zum Inhalt

Virenausbreitung: Einlassticket Virus

Honigbienen, die mit dem so genannten IAP-Virus infiziert sind, werden mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit in fremde Bienenstöcke eingelassen wie gesunde Artgenossen. Ein Grund ist wahrscheinlich ein veränderter Geruch der Tiere.
Honigbienen

Dass Viren perfide Vermehrungsstrategien nutzen, ist in Zeiten von Corona eigentlich ein alter Hut. Die Taktik, von der Forscher nun im Magazin »PNAS« berichten, ist aber ganz besonders durchtrieben: Honigbienen, die mit dem so genannten IAP-Virus infiziert sind, werden mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit in fremde Bienenstöcke eingelassen wie gesunde Artgenossen. Vermutlich liegt das daran, dass das Virus den Geruch und vielleicht sogar das Verhalten der Bienen so verändert, dass sie von fremden Völkern eher akzeptiert werden. In der neuen Kolonie kann das Virus dann auf andere Bienen überspringen und verbreitet sich dadurch von Stock zu Stock.

Das »Israeli acute paralysis virus«, abgekürzt IAPV (zu Deutsch: Israelisches Akute-Bienenparalyse-Virus) löst eine für die Bienen tödliche Krankheit aus und kann Bienenvölker vollständig auslöschen. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass sich mit IAPV infizierte Honigbienen bei der Heimkehr von der Futtersuche öfter verirren als gesunde Artgenossen. Vor allem in kommerziellen Bienenzuchtbetrieben, in denen die Bienenstöcke viel dichter gestapelt sind als in der freien Wildbahn, passiert es daher häufig, dass das Virus von einer infizierten Biene in ein anderes Volk eingeschleppt wird. Doch noch war unklar, weshalb die Bienen dort überhaupt hineinkommen, gibt es am Eingang des Stocks doch sozusagen einen Türsteher in Form einer Arbeiterbiene. Diese führt eine Einlasskontrolle durch und wimmelt unerwünschten Besuch eigentlich ab.

Honigbienen mit QR-Code-ähnlicher Markierung auf dem Rücken

Um das Verhalten der einzelnen Bienen zu erfassen, markierten die Forscher jede einzelne Biene mit dem Äquivalent eines QR-Codes und überwachten kontinuierlich die Interaktionen der Tiere. So waren die Wissenschaftler in der Lage, bis zu 900 Bienen gleichzeitig zu verfolgen. Ihre Daten zeigen, dass eine IAPV-Infektion die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Eindringling von einem fremden Bienenvolk akzeptiert wird. Irgendwie muss also die Bienenwache des fremden Stocks getäuscht werden. Naheliegend ist, dass dies bei der »Begutachtung« stattfindet, bei der sich die Bienen gegenseitig mit ihren Mundwerkzeugen und Antennen berühren (siehe Video) und Hormone und andere Signalmoleküle austauschen. Experten sprechen von der »Trophallaxis«, die insbesondere auch der Weitergabe von Nahrung dient.

Und tatsächlich: In den chemischen Analysen der äußeren Hüllen der Bienen fanden die Forscher Unterschiede in den molekularen Zusammensetzungen bei gesunden im Vergleich zu IAPV-infizierten Bienen. Sie glauben daher, dass das Virus gewissermaßen den Geruch der Tiere verändert. Daneben halten sie es für möglich, infizierte Bienen könnten sich sogar anders verhalten als gesunde und auf diese Art und Weise die Wachen besänftigen. Sie beobachteten nämlich, dass kranke Tiere die Trophallaxis engagierter ausführten als gesunde. Fazit: Viren haben wirklich so einige Tricks auf Lager, um sich auszubreiten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.