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Humanevolution: Kaltes Klima sorgt für große Menschen

Körper und Gehirn wurden in der Evolution des Menschen immer größer und schwerer - zumindest im Durchschnitt. Aber auch das Klima redete in der letzten Million Jahre ein Wort mit.
Homo sapiens hält Modell eines Australopithecus-africanus-Schädels

Sowohl der Körper wie auch das Gehirn ist in den Jahrmillionen der Entwicklung vom Vor- und Frühmenschen bis zum modernen Homo sapiens im Wesentlichen immer größer und schwerer geworden. Die Gründe für diesen Makroevolutionstrend sind dabei aber gar nicht leicht zu fassen: Hier könnten die Umweltbedingungen, die Ernährung, kulturelle, soziale, technologische und demografische Faktoren oder alle zusammen eine Rolle gespielt haben. In jedem Fall aber waren das Klima und die Durchschnittstemperaturen in einzelnen Regionen der Menschwerdung wichtige Einflussgrößen, wie nun ein Forschungsteam aus Archäologen, Anthropologen, Ökologen und Klimamodellierern um Manuel Will von der Universität Tübingen im Fachmagazin »Nature Communications« schreiben.

Die Forschenden haben untersucht, wie die Gattung Homo sich in der Million Jahre bis heute verändert hat. Dazu sammelten sie Daten zur Körper- wie auch Gehirngrößen von über 300 Fossilien aus verschiedenen Regionen der Welt und glichen sie mit neu rekonstruierten Klimadaten ab. So ließ sich bestimmen, in welchem spezifischen Klima die jeweils untersuchten Menschen gelebten hatten, also wie warm und regenreich es im Jahresdurchschnitt vor Ort war und wie kalt und trocken die Jahreszeiten im Maximum ausfielen. Ihre Schlussfolgerung: je kälter das Klima, desto schwerer die Menschen.

Das bedeutet auch, dass das durchschnittliche Körpergewicht der Menschen zwischen einer Million und 10 000 Jahren vor heute erheblich schwankte, wobei eine klare Korrelation mit dem Klima zu erkennen ist. Menschen in kälteren Regionen waren tendenziell schwerer – einen ähnlichen Zusammenhang kennt man längst auch bei Säugetieren. Ein großer Körper fungiert als Temperaturpuffer, er verliert umso weniger Wärme, je größer seine Masse im Verhältnis zur Oberfläche ist.

»Unsere Daten deuten darauf hin, dass das Klima – insbesondere die Temperatur – der Haupttreiber für die Veränderungen des Körpergewichts in der letzten Million Jahre war«, sagt die an der Studie beteiligte Andrea Manica von der University of Cambridge. Auch an heute lebenden Menschen sei zu sehen: »Menschen in wärmeren Klimazonen sind tendenziell leichter gebaut als Menschen in kälteren Klimazonen. Wir wissen jetzt, dass die gleichen klimatischen Einflüsse in den letzten Millionen Jahren am Werk waren.«

Anders ist es bei der Größe des Gehirns. Auch hier untersuchten die Forscher den Einfluss von Umweltfaktoren für die Gattung Homo, fanden allerdings nur schwache Korrelationen vor und keinen Gleichschritt mit der Entwicklung des Körpergewichts. Tendenziell war das Gehirn der Menschen größer, die in Steppen oder Grasland mit wenig geschlossener Vegetation lebten – aber auch in Gebieten, die über Jahrtausende ökologisch stabil waren. Hier haben Menschen große Beutetiere gejagt, wie auch archäologische Belege zeigen. Diese komplexe Aufgabe könnte die Evolution größerer Gehirne vorangetrieben haben. Für das Wachstums des Gehirns könnten demnach eher nicht umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielten, spekulieren die Forscher – etwa eine vielfältigere Ernährung und zusätzliche kognitive Herausforderungen durch ein zunehmend komplexes soziales Leben und höher entwickelte Technologie.

Auch heute lässt sich beobachten, dass im Durchschnitt größer gebaute Menschen eher in kälteren Klimazonen leben. Die Gehirngröße wiederum scheint allerdings nach Lage der bekannter Studien bei unserer Spezies seit Beginn des Holozäns (vor etwa 11 650 Jahren) zu schrumpfen. Die Forscher wollen hier über mögliche Ursachen nicht spekulieren: »Auch wenn es faszinierend ist, sollten wir hier mit Spekulationen zur weiteren Evolution unserer Art vorsichtig sein«, sagt Will. »Es können sich zu viele Faktoren ändern und nie ist eine einzige Variable ausschlaggebend.«

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