Rote Liste: Hunderte neue Vogelarten, dutzende bedroht
Der Gran-Canaria-Teydefink (Fringilla polatzeki) lebt nur auf der gleichnamigen Insel der Kanaren – und ist mit einer Gesamtzahl von rund 250 Exemplaren gegenwärtig der seltenste Singvogel Europas. Dabei galt der blaue Verwandte unseres Buchfinks lange nicht als eigenständige Spezies, sondern als Unterart des häufigeren Teydefinks (Fringilla teydea) von der Nachbarinsel Teneriffa. Erst eine neue Bewertung von tausenden Singvogelarten durch Wissenschaftler von Birdlife International erhob den Vertreter von Gran Canaria in einen eigenständigen Rang. Insgesamt existieren weltweit 742 Singvogelarten mehr als bislang bekannt, wobei die meisten nicht wirkliche Neuentdeckungen darstellen. Stattdessen handelt es sich häufig um vormals vorhandene Unterarten, die wegen deutlicher Farb- oder Gesangsunterschiede nun aufgetrennt wurden. Weltweit kennt man daher mittlerweile 11 121 Vogelarten, von denen 10 965 noch existieren – die restlichen starben seit Beginn der Neuzeit aus.
Auch 13 neu anerkannte Spezies teilen dieses traurige Schicksal, etwa der Paganrohrsänger (Acrocephalus yamashinae) von der Insel Guam, der sehr wahrscheinlich durch die eingeschleppte Braune Nachtbaumnatter ausgelöscht wurde, oder der San-Christobál-Rubintyrann (Pyrocephalus dubius), der den traurigen Ruf hat, die erste ausgerottete Vogelart der Galapagosinseln zu sein. Weitere elf Prozent der Neubeschreibungen haben ebenfalls Eingang in die Rote Liste gefunden wie der Gran-Canaria-Teydefink oder der Antioquia-Zaunkönig (Thryophilus sernai) aus Kolumbien, der tatsächlich erst vor wenigen Jahren aufgespürt wurde und dessen Lebensraum durch ein geplantes Staudammprojekt massiv schrumpfen könnte.
Wie üblich liefert die neue Rote Liste gemischte Nachrichten. So stürzen die frei lebenden Bestände beliebter Käfigvögel rapide ab. Besonders betroffen ist Indonesien, wo die Haltung von Singvögeln und Papageien sehr populär ist, weshalb dafür komplette Wälder leergefangen werden. Arten wie der Bali-Star, die Damadrossel (Zoothera citrina) oder die Schamadrossel (Copsychus malabaricus) sind heutzutage in Gefangenschaft deutlich häufiger zu finden als im Freiland. Entsprechend schlägt sich dies im Bedrohungsstatus nieder, wo viele der beliebten Ziervögel mittlerweile als akut vom Aussterben bedroht gelten. In Afrika betrifft dies den wegen seiner Sprachbegabung beliebten Graupapagei (Psittacus erithacus), dessen Population beispielsweise in Ghana um 99 Prozent eingebrochen ist und auch in anderen Teilen seines Verbreitungsgebiets stark zurückgeht.
Besser sieht es dagegen für einige Inselarten aus, denen in den vergangenen Jahren intensive Schutzanstrengungen zuteil wurden: Der Azorengimpel (Pyrrhula murina) – vormals Europas seltenster Singvogel – stand in den 1980er Jahren kurz vor dem Aus, weil sein Lebensraum durch Abholzung und invasive Arten schwand. Seitdem hat sich sein Bestand wieder verdreifacht, und es existieren rund 1000 Vögel in den Lorbeerwäldern der Insel. Ein Vulkanausbruch besiegelte dagegen fast das Schicksal des Montserrattrupials (Icterus oberi), weil die Wälder seiner Heimatinsel fast völlig vernichtet worden waren. Aufforstungen vor Ort und ein Zuchtprogramm brachten die Spezies wieder vom Rand des Abgrunds weg. Insgesamt acht Vogelarten konnten herabgestuft werden, 19 der schon zuvor aufgelisteten Spezies mussten in stärkere Bedrohungskategorien verschoben werden.
Giraffen in Not
Neben dem Schwerpunkt bei den Vögeln bringt die Rote Liste eine schlechte Nachricht zu einer ikonischen Tierart Afrikas: Die Zahl der Giraffen geht stark zurück – insgesamt leben weniger als 100 000 Tiere auf dem Kontinent. Erschwerend kommt hinzu, dass es nicht mehr nur noch eine Giraffenart gibt. Genetische Untersuchungen erbrachten, dass es vier unterschiedliche Giraffenarten gibt, von denen manche weniger als 10 000 Individuen umfassen. Eine noch als Unterart gelistete Population besteht sogar nur mehr aus ein paar hundert Tieren.
Besonders betroffen sind dabei die Vertreter West- und Zentralafrikas, wo ausgedehnte Lebensraumzerstörungen, Jagd und mangelnder Naturschutz durch Kriege die Giraffen gefährden. Besser sieht es dagegen noch in den großen Nationalparks in Ost- und Südafrika aus.
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