Hunga Tonga-Hunga Ha'apai : Das Schwefelrätsel des Rekordvulkans

Der Rekordausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai am 15. Januar 2022 gibt bis heute Rätsel auf. Eines der größten Mysterien des ungewöhnlichen Vulkans: Wo war all der Schwefel? Ein so großer Ausbruch hätte durch die entstandenen Schwefelsäuretröpfchen die Erde merklich abkühlen sollen. Doch das geschah nicht. Lediglich 700 000 Tonnen Schwefel gelangten in die Atmosphäre ein Bruchteil der erwarteten Menge. Nun löst ein Team um Shane J. Cronin von der University of Auckland das Paradox auf. Wie die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Nature Geoscience« berichtet, setzte der Ausbruch tatsächlich rund 9,4 Millionen Tonnen Schwefel frei. Allerdings gelangten weniger als zehn Prozent der Menge in die Atmosphäre. Das meiste blieb im Meerwasser.
Tatsächlich veränderte der Vulkan das Klima – allerdings durch die gigantischen Wassermengen, die er mit seiner fast 60 Kilometer hohen Eruptionssäule in die Stratosphäre trug. Der für Vulkane typische Kühleffekt dagegen blieb aus. Der nämlich entsteht dadurch, dass Millionen Tonnen Schwefeldioxid feine Tröpfchen in der Atmosphäre bilden und Sonnenlicht zurückwerfen. Weil der Schwefel nahezu vollständig fehlte, ist der Klimaeffekt des Tonga bis heute umstritten.
Um herauszufinden, wie viel Schwefel der Vulkan tatsächlich freisetzte und wo er hinging, analysierte das Team vulkanisches Glas aus der Eruption und Schmelzeinschlüsse des ursprünglichen Magmas. Daraus berechnete es eine Gesamtmenge von 10,6 Millionen Tonnen Schwefel im ausgestoßenen Magma. Davon blieben insgesamt rund 1,2 Millionen Tonnen in Asche und vulkanischem Glas, während 9,4 Millionen Tonnen als Schwefeldioxid ausgasten. Allerdings fand die Eruption in einer Tiefe von 400 bis 1000 Meter unter dem Meeresspiegel statt. Von den Insgesamt 17 Milliarden Tonnen ausgestoßenen Magma, berechnet das Team, erreichten lediglich 1,2 Milliarden Tonnen oder rund sieben Prozent die Oberfläche.
Das Gleiche gilt, berichten die Fachleute, auch für den enthaltenen Schwefel. Mehr als 93 Prozent des Elements gelangten ins Meerwasser, als das Magma während der Eruption zu Asche und Glas zerfetzte. Damit wird auch deutlich, dass der Vulkan keineswegs so ungewöhnlich ist wie es zuerst schien. Die enorm große Wassermenge, die der Vulkan in die Stratosphäre trug, geht ebenso wie die geringe Schwefelmenge schlicht auf die Wassertiefe zurück, in der die Eruption stattfand. Für die Vulkanforschung ergeben sich aus dem Resultat zwei Probleme. Zum einen nämlich nutzt man atmosphärisches Schwefeldioxid als Marker für die Stärke von Ausbrüchen. Bei untermeerischen Vulkanen könne das dazu führen, dass eine Eruption deutlich kleiner scheint, als sie tatsächlich ist, argumentiert die Arbeitsgruppe um Cronin. Zum anderen sind historische untermeerische Ausbrüche wegen des geringen Schwefelgehalts in Eisbohrkernen unsichtbar, sie können aber dennoch durch den enormen Wasserdampfausstoß erheblichen Effekt auf das Klima gehabt haben. Beides zusammen führe dazu, dass das Risiko solcher Unterwasservulkane langfristig womöglich deutlich unterschätzt werde, schreibt das Team.
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