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News: Hungrige Jungfrauen

Es gehört irgendwie natürlich zusammen: Schwangerschaft und ein paar Kilo Gewicht zulegen. Bei Zecken ist das nicht viel anders - nur ein wenig extremer.
Amblyomma hebraeum
Zecken tun einiges für ihren schlechten Ruf: Die Spinnentiere lauern gerne heimtückisch im Verborgenen auf arg- und hilflose Opfer, befallen diese unbemerkt, saugen ihr Blut und übertragen dabei nicht selten gefährliche Krankheiten. Ihre fetteste Beute ist allerdings meist nicht Mensch, sondern Vieh – ungezählte achtbeinige Blutsauger verursachen jährlich wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe, insbesondere wenn befallene Rinder massenhaft an von den Zecken verbreiteten Viren verenden.

Eine der Schuldigen: Amblyomma hebraeum. Wie bei anderen Zecken auch, verwandeln sich ihre Weibchen auf der Haut des Opfers nach und nach zu unbeweglichen und hocheffizienten Eiproduktionsmaschinen. Als nahrhafte Energiequelle für die anstehende Massenherstellung ihrer Brut saugen die Zecken Blut – und dieses bläht sie annähernd bis zum Hundertfachen ihres ursprünglichen Eigengewichtes auf.

Sinn des Saugens ist demnach nicht schlichte Sättigung, sondern Investition in zukünftige Generationen. Und tatsächlich bremsen saugende Weibchen, die nicht von einem der ebenfalls auf der Haut der Rinder herumlaufenden Zeckenmännchen befruchtet wurden, ihren Blutdurst an einem bestimmten Punkt: Solche jungfräulichen Achtbeiner werden nur etwa zehnmal so schwer wie gänzlich ungenährte Zeckenweibchen und stellen dann ihre Gewichtszunahme ein.

Was genau aber löst bei einer Begattung die jungfräuliche Blutsaug-Bremse und gewährleistet so überhaupt erst, dass genug Nährstoffe für die enorme Eierproduktion des Amblyomma-Weibchens aufgenommen werden?

Die Antwort fanden Brian Weiss und Reuben Kaufman von der University of Alberta unter jenen 28 Genprodukten der männlichen Geschlechtsdrüsen, die beim Saugakt der Zecken bekanntermaßen aktiv werden: ein Protein namens EF (engorgement factor). Gesättigte Männchen produzieren das Eiweiß und übertragen es bei der Begattung in die Weibchen – wodurch dann ihr ungehemmter Bluthunger ausgelöst wird. Dazu ist der Akt an sich überflüssig, so die Wissenschaftler weiter: Sie stellten gentechnisch die rekombinante Form recAhEF her und injizierten sie dann jungfräulichen weiblichen Zecken – wonach auch diese, wie ihre begatteten Schwestern, beim Saugen ungebremst Blut bis zum Einhundertfachen ihres Körpergewichtes zu sich zu nahmen.

Nun hoffen die Wissenschaftler, damit eine Achillesferse der Zecken-Entwicklung gefunden zu haben: Könnte man EF abfangen, bevor es in Weibchen wirkt, so wäre deren Blutversorgung unzureichend und die Nachwuchsproduktion gestoppt. Tatsächlich verliefen Vorversuche erfolgversprechend: Antikörper gegen recAhEF im Blut von Kaninchen störten den natürlichen Gewichtszuwachs bei immerhin zwei Dritteln aller saugender Zecken – vielleicht die ersten Schritte zur Entwicklung eines Impfstoffs, mit dem Bevölkerungswachstum der Zeckengemeinschaft einmal Einhalt geboten werden könnte.

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