Milch aufschäumen und in ein großes Glas geben, dann vorsichtig frisch gebrühten Espresso eingießen. Auch optisch
ist das Trendgetränk Latte macchiato ein Genuss, sofern der "Barista" hinter dem Tresen sein Handwerk versteht. Die
wörtliche Übersetzung des Namens als "befleckte Milch" wird dem Latte macchiato kaum gerecht. Zumal er auch ein intellektuelles Vergnügen bereiten kann, denn was da im Glas geschieht, ist pure Physik. Da Espresso eine geringere Dichte als
Milch besitzt, sammelt er sich zunächst im oberen Bereich des Glases. Doch in der Grenzschicht vermischen sich die beiden
Flüssigkeiten. Wer genau hinschaut, kann hier sogar Wirbel beobachten.
Perfekte Latte: Schichtung durch Konvektion | Die Schichtung eines gut gemachten Latte macchiato entsteht durch Konvektionszellen an der Glaswand.
So einfach dieses Geschehen wirkt, genau versteht man diese Vorgänge bislang nicht. Dabei wurde die nach den Physikern
Claude Louis Marie Henri Navier (1785–1836) und Sir George Gabriel Stokes (1819–1903) benannte Navier-Stokes-Gleichung, eine der Grundgleichungen hydrodynamischer Prozesse, bereits vor über 150 Jahren aufgestellt. Doch sie ist von so
komplexer Struktur, dass bis heute keine mathematisch exakte Lösung der Gleichung bekannt ist. Das Interesse daran ist so
groß, dass das Clay Mathematics Institute in Cambridge (Massachusetts) eine Million Dollar für die Entdeckung einer solchen
Lösung ausgelobt hat. Natürlich geht es den Forschern dabei nicht um den Latte macchiato. Die Hydrodynamik spielt in
vielen Naturwissenschaften eine wichtige Rolle. Ihre Gesetze beschreiben so unterschiedliche Phänomene wie die Explosion
massereicher Sterne, die Dynamik von Lavaflüssen oder die Strömungen in den Ozeanen.
Aber eben auch die Vorgänge im Übergangsbereich zwischen Espresso und Milch im Latte macchiato. Denn dort kann
man bereits kurz nach dem Eingießen beobachten, wie eine Abfolge von mehreren Schichten entsteht, die sich deutlich voneinander abheben. Dieser Effekt wird in der Hydrodynamik Layering genannt. Er tritt dann auf, wenn neben einem Temperaturunterschied auch ein Konzentrationsgefälle eines oder mehrerer gelöster Inhaltsstoffe existiert. Denn Temperatur und Konzentration bestimmen die Dichte der Flüssigkeit.
Auf den ersten Blick ist nicht verständlich, warum der nach dem Eingießen vorliegende Zustand in Bewegung gerät. Sofern
der Barista sauber gearbeitet hat, ist der Espresso etwas wärmer als die etwa siebzig Grad Celsius heiße Milch. Da bei diesen
Temperaturverhältnissen Letztere dichter ist als der darüberliegende Kaffee, sollte der Zustand stabil sein. Dass dem nicht so
ist, beruht auf der Temperaturdifferenz zwischen der Flüssigkeit im Glas und der Luft des umgebenden Raums. Sowohl Espresso
als auch Milch kühlen an der Glaswand ab und sinken nach unten. Damit kommt eine Kreisbewegung, eine so genannte
Konvektion, in Gang: Von der Mitte des Glases strömt warme Flüssigkeit zum Rand, die sich abkühlt, nach unten sinkt und so weiter. Der zusätzliche Einfluss der Konzentration auf die Dichte sorgt dafür, dass die Flüssigkeit nicht bis zum Boden des Glases absinkt, sondern dass sich eine vertikale Abfolge von Konvektionszonen ausbildet. Deren genaue Anzahl ist von den physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit abhängig. Die Konzentration von Espresso in den Schichten nimmt dabei von oben nach unten ab. Dadurch ergibt sich, von der Seite betrachtet, das charakteristische Bild. Da die Bewegung von zwei Faktoren, nämlich Temperatur- und Konzentrationsgefälle, angetrieben wird, spricht man auch von Doppeldiffusion oder doppeldiffusiver Konvektion.
Interessanterweise tritt derselbe Effekt auch im Ozean in der Nähe von Eisbergen auf. Durch das Schmelzen des Eises,
das aus Süßwasser besteht, bildet sich in der Umgebung ein Gefälle in der Salzkonzentration aus: Wasser mit niedrigem
Salzgehalt ist über solches mit höherem geschichtet. Da das umgebende Wasser wärmer ist als der Eisberg, kühlt es sich an der
Eiswand ab und sinkt nach unten. Es kommt zum gleichen Effekt wie beim Latte macchiato – was sich allerdings im Kaffeeglas leichter beobachten lässt. Zumindest ein Weilchen. Am Ende aller Konvektion und Doppeldiffusion bleibt ein physikalisch
eher uninteressanter Milchkaffee, der zweifelsohne aber noch geschmacklich seine Reize hat.
Wussten Sie schon?
Ursprünglich stammt Kaffee vermutlich aus dem Hochland
des heutigen Äthiopiens. Verlässliche historische Quellen
existieren jedoch erst ab dem frühen 16. Jahrhundert, als das
Getränk in der arabischen Welt schon weit verbreitet war.
Durch die Expansion des Osmanischen Reichs gelangte es
nach Kleinasien, Syrien, Ägypten und schließlich auch nach
Südeuropa. Dort öffnete das erste Kaffeehaus 1645 am Markusplatz
in Venedig seine Pforten. 1673 hatte Bremen als erste
deutsche Stadt ein Café.
Pro Jahr trinkt der Deutsche im Durchschnitt 144 Liter Kaffee,
Das entspricht einem Verbrauch von 6,1 Kilogramm Kaffeepulver.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in deutschen
Röstereien 502 930 Tonnen rohe Kaffeebohnen zu
16 500 Tonnen löslichem Kaffee und 386 500 Tonnen Röstkaffee
veredelt. Bei Letzterem entscheidet vor allem die Stärke
der Röstung über die spätere Verwendung als Espresso (dunkle
Röstung) oder Filterkaffee (helle Röstung).
Zur Frage nach den gesundheitlichen Auswirkungen des Kaffeekonsums
haben verschiedene wissenschaftliche Studien
in den vergangenen Jahren den Ruf des Getränks weit gehend
rehabilitiert. Während ältere Untersuchungen vor allem
die Auswirkungen einzelner Inhaltsstoffe, zum Beispiel des
anregenden Koffeins, ins Auge fassten, kann dem Kaffee als
Ganzem bei maßvollem Verbrauch keine gesundheitsschädliche
Wirkung mehr nachgewiesen werden. Er gilt sogar als
Quelle für Antioxidantien, die unter anderem Krebserkrankungen
vorbeugen können. Insbesondere bei Magen- oder
Herzproblemen sollte man dennoch Vorsicht walten lassen.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
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