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Online-Kritiken: Ich-Botschaften helfen wenig

Persönliches Feedback sollte man bekanntlich in der ersten Person Singular formulieren. Rezensionen im Internet erscheinen so aber weniger sachdienlich.
Schematische Zeichnung einer Online-Rezension mit fünf Sternchen

Nur von sich und dem eigenen Empfinden reden: So lautet wohl die bekannteste Regel für kritisches Feedback. Doch in Online-Kritiken kommt genau das nicht gut an. Wie Wirtschaftsforscher aus Kanada und England aus einer Analyse von Amazon-Rezensionen schließen, werden Kommentare in Ich-Form seltener als hilfreich empfunden. Grundlage waren mehr als 40 000 Kundenrezensionen zu zufällig ausgewählten Bestsellern in den Kategorien Fernseher, Laserdrucker, Bücher und Musikalben.

Ein Computerprogramm bestimmte ausgewählte linguistische Merkmale der Texte, darunter deren emotionale Färbung und den Anteil der verwendeten Personalpronomen (»ich«, »du«, »er« et cetera). In allen vier Kategorien machte das Wörtchen »ich« etwa vier Prozent aller Wörter aus – die übrigen Personalpronomen zusammen aber nur höchstens ein Prozent. Je häufiger das Wörtchen »ich« in einer Rezension vorkam, desto geringer ihre Chance, von anderen Nutzern als hilfreich gewertet zu werden. Der Kommentar »Das war kein guter Kauf« wird demnach als brauchbarer empfunden als »Ich bereue den Kauf«. Das war in allen vier untersuchten Produktkategorien der Fall, weniger ausgeprägt allerdings bei den Büchern.

Die Ich-Form fand außerdem umso weniger Anklang, je kürzer, emotionaler und negativer die Bewertungen ausfielen. Formulierungen in der zweiten Person (»Du«, »Sie«, »ihr«, im Englischen »you«) kamen hingegen gut an. Die Autoren Fang Wang und Sahar Karimi vermuten, dass eine direkte Ansprache beim Leser den Selbstbezug und damit die Informationsverarbeitung erleichtere.

Die Ich-Perspektive hingegen füge dem mentalen Modell vom Produkt eine zusätzliche Dimension hinzu, und das erschwere das Verständnis. Sie lenke die Aufmerksamkeit vom Produkt weg und auf den Kritiker und erinnere noch dazu daran, dass seine Bewertung subjektiv ist, somit vielleicht nicht relevant für die eigene Person. Für die Perspektive eines unbekannten Kritikers interessiere sich der Leser aber nicht, er wolle sich umweglos ein Bild vom Produkt selbst machen. Ob das die klügste Strategie ist, steht auf einem anderen Blatt.

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