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News: Ich kann dich nicht riechen

Klitzekleine Botenstoffe entscheiden oft darüber, wer sich leiden kann und wer nicht. Nach mehr als fünfzig Jahren gilt nun auch die Existenz der Andockstellen der Duftstoffe in Wirbeltieren als gesichert.
Wer kennt das nicht: Frisch verliebt, riecht nichts so gut wie der Partner oder die Partnerin. Bei großer Sehnsucht kann manchmal sogar das getragene T-Shirt noch Schmetterlinge im Bauch fliegen lassen. Den einen Kollegen im Büro aber, den kann man einfach nicht riechen. Nichts zu machen. Dabei hat er einem nie etwas getan.

Schuld an diesen Vorlieben sind Botenstoffe, die in winziger Dosis durch die Lüfte schwirren und doch so manchem den Kopf verwirren. Diese Pheromone kennen Wissenschaftler aus bestimmten Bereichen der Tierwelt schon lange: etwa bei den Lachsen, die sogar stromaufwärts schwimmen, um alljährlich zu ihren Laichplätzen zurückzugelangen.

Um eine solch bestimmende Wirkung auszuüben, müssen die heranfliegenden Duftmoleküle zunächst an ihre Andockstelle – spezifische Proteinstrukturen auf empfindlichen Nervenzellen – binden. Das angeregte Neuron leitet dann die Information an eine bestimmte Region im Gehirn weiter, das so genannte vomeronasale Organ (VNO). Dieser Bereich des olfaktorischen – also für das Riechen zuständige Gehirnteil – gilt seit langem als Spezialist in der Entdeckung ankommender Pheromone.

"Wir wissen, dass das VNO mit Pheromonen in Zusammenhang steht, denn wenn es den Tieren chirurgisch entfernt wird, treten verschiedene Abnormitäten in ihrem Geschlechts- und Aggressionsverhalten auf", erklärt Karin Del Punta von der Rockefeller University. Sie und ihre Kollegen konzentrierten sich in ihrer Arbeit nun auf einen Zusammenschluss von insgesamt 16 Genen, die alle im Verdacht stehen, als Geruchsdetektoren zu arbeiten. Mit einer speziellen Methode, der chromosome engineering technology, entfernten sie aus dem betreffenden Genbereich ein Stück Erbinformation.

Die so manipulierten Mäuse entwickelten sich völlig normal, waren geschlechtsreif und fielen gegenüber den Kontrolltieren nicht besonders auf. Bis auf einen Unterschied: Im Vergleich zu ihren normalen Artgenossen zeigten die manipulierten Mäuse ein deutlich anderes Aggressions- und Sexualverhalten.

So waren etwa weibliche Mäuse viel weniger um ihre Nachkommen besorgt, wenn ihnen ein Stück aus der entsprechenden Genregion fehlte. Säugende Mäuse griffen Artgenossen, die in ihr Nest eindrangen, viel seltener an, und insgesamt dauerten ihre Attacken auch kürzer.

Auch bei männlichen Mäusen zeigte sich, dass die Tiere nur schlecht auf ein funktionierendes vomeronasales Organ verzichten können. So nahm ihre sexuelle Aktivität ab, und sexuell unerfahrene Mäuse probten ihre "Künste" gar nicht erst an den männlichen Genossen aus, wie es Mäusemännchen oft am Anfang ihrer sexuell aktiven Zeit tun.

Außerdem zeigte sich, dass die genetisch manipulierten Tiere manche Pheromone noch wahrnehmen konnten, während sie auf andere gar keine Reaktion zeigten. Die Forscher prägten für diese selektive Wahrnehmung den Begriff Avnosmie, in Anlehnung an Anosmie, die Bezeichnung für den Verlust des Geruchssinns. "Die spezifische Avnosmie", spekuliert Del Punta, "könnte die normale Wahrnehmung von Pheromonen stören und die von uns beobachteten Verhaltensauffälligkeiten verursachen."

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