Direkt zum Inhalt

News: Im Alter stark

Viele Senioren beschweren sich darüber, daß zum Beispiel ihr Gedächtnis nachläßt. Doch nicht nur im geistigen Bereich macht sich das Alter bemerkbar. Auch das langsame Schwinden der Muskelmasse bringt einen großen Verlust an Lebensqualität mit sich. Aber zumindest für Mäuse wurde dieses Problem jetzt an der genetischen Wurzel gepackt: Durch eine neue Gentherapie konnte der Muskelschwund gestoppt werden.
Wissenschaftler des University of Pennsylvania Medical Center haben eine neue Gentherapie-Behandlung entwickelt, die den altersbedingten Abbau von Muskelgröße und -stärke in Mäusen permanent blockiert. Mäuse – wie Menschen und alle Säugetiere – verlieren mit zunehmendem Alter bis zu einem Drittel ihrer Muskelmasse und -kraft. Bei Menschen ist das Ergebnis eine fortschreitende Schwächung, die bei älteren Menschen schließlich zu Unsicherheit und eingeschränkter Mobilität, zunehmender Anfälligkeit für Verletzungen, sowie Gelenkstreß und -degeneration führt.

Die neue Behandlung erhöhte sogar bei jungen erwachsenen Mäusen die Muskelstärke um 15 Prozent im Vergleich zu unbehandelten Muskeln. Bei älteren Mäusen war die Verbesserung jedoch noch weit bemerkenswerter: Die Forscher dokumentierten einen Anstieg der Stärke um 27 Prozent im Vergleich zu unbehandelten Muskeln – das heißt, die Stärke, die sie im jungen Erwachsenenalter besessen hatten, wurde wieder voll erreicht.

Die Resultate der experimentellen Studie wurden auf der 38. Jahrestagung der American Society for Cell Biology in San Francisco am 14. Dezember 1998 vorgestellt und am 22. Dezember 1998 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht. "Unsere Ergebnisse zeigen, daß es dank dieser Methode möglich sein könnte, Muskelgröße und -stärke im Alter zu erhalten", sagt Dr. H. Lee Sweeney, Professor für Physiologie und leitender Forscher der Studie. "Wir prüfen nun, ob die Technik auch zur Stärkung der Muskeln bei Krankheiten wie Muskeldystrophie eingesetzt werden kann."

Die Forscher machten sich bei ihrer Arbeit die Fähigkeit einiger Viren zunutze, ihr genetisches Material in die Zellen einzubauen, die sie infizieren. Für diese Experimente wählten sie ein Adeno-assoziiertes Virus, oder AAV, das bei der Einführung seiner Gene in die Zielzellen als höchst effektiv gilt. Sie entfernten dann aus dem AAV die krankheitsverursachenden – und auch die immunsystemstimulierenden – Gene und "beluden" es neu mit dem insulin-like growth factor I (IGF-I), sowie einem muskelspezifischen Promotor, um die Produktionsrate des Wachstumsfaktors auf hohem Niveau zu halten. Die Forscher injizierten dann dieses gentechnisch manipulierte Virus in die Muskeln der Mäuse.

IGF-I ist ein Wachstumsfaktor, der für die Muskelreparatur wichtig ist. Unter normalen Umständen setzen beschädigte Muskeln IGF-I als Aktivierungssignal für benachbarte Zellen frei. Diese Nachbarzellen sind Muskel-Stammzellen, die nach der Aktivierung zu funktionellen Muskelzellen werden und dann in die Muskeln wandern, um sie zu reparieren.

Die Wissenschaftler stellten die Theorie auf, daß altersbedingter Muskelabbau das Ergebnis einer abnehmenden Wirksamkeit im Aktivierungsprozeß der Nachbarzellenzellen ist. Gleichzeitig würde die IGF-I Signalfähigkeit mit zunehmendem Alter der reparaturbedürftigen Muskeln absinken. Die Forscher vermuteten, daß die durch die Gentherapie verursachte hohe IGF-I-Produktion in alternden Muskeln eine effektivere Reparatur und Regeneration durch die Nachbarzellen stimulieren könnte: Die Ergebnisse der Studie bestätigen dies tatsächlich.

Wenn diese Forschungsarbeit auch auf Menschen übertragen werden soll, müssen nach Ansicht von Sweeney eine Reihe ethischer Fragen in Betracht gezogen werden. Die Resultate weisen darauf hin, daß vielleicht auf dieser Grundlage Therapien bei Menschen möglich sein könnten, welche die Altersschwäche umkehren oder den Muskelschwund bei Muskeldystrophie und ähnlichen Krankheiten bekämpfen. Es besteht jedoch auch die Gefahr, daß eine solche Technik für den Muskelaufbau bei Athleten oder für kosmetische Veränderungen eingesetzt bzw. mißbraucht werden könnte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.