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Neurobiologie: Im Blickwinkel

Einen Rundumblick von fast 180 Grad gewähren unsere Augen. Damit wir jedoch auch vom Randgeschehen Notiz nehmen können, ist eine intakte Augenmuskulatur gefragt.
Für unsere Vorfahren in freier Wildbahn wie auch für uns moderne Stadtmenschen war und ist es überlebenswichtig: Nähert sich das Raubtier – oder das Auto – von links, dann ist eine schnelle Reaktion gefragt. Wer die Geschehnisse im Augenwinkel dagegen links liegen lässt und nur auf Gefahren im Fokus seines Blickes reagiert, der wird vor der Selektion früher oder später keine Gnade finden.

Doch zum Glück gewähren unsere Augen einen weit umfassenden Rundumblick, wenn auch meist nur die Gegenstände, die wir unmittelbar fixieren, in unser Bewusstsein gelangen. Sobald sich jedoch am Gesichtsfeldrand irgendetwas bewegt, erregt es unsere Aufmerksamkeit und zieht unseren Blick magisch an.

Für die – wenn auch unbewusste – Wahrnehmung am Gesichtsfeldrand sollte die Augenmuskulatur nicht notwendig sein, tritt sie doch erst in Aktion, wenn am Rande etwas auftaucht, das fixiert werden will. Andererseits verweilt das Auge nie lange auf einem Fleck, sondern springt ständig hin und her, um immer wieder neue Objekte in seinen Fokus rücken zu können. Auf Grund dieser Sakkaden genannten Blicksprünge vermuten einige Wissenschaftler, dass die Augenmuskulatur doch eine Rolle bei der Wahrnehmung im Blickfeldrand spielen.

Daniel Smith und seine Kollegen von der Universität Nottingham versuchten jetzt, diese "Prämotor-Hypothese" zu überprüfen. Hilfreich unterstützt wurden sie dabei von einer 25-jährigen Frau, deren Augenmuskulatur von Geburt an gelähmt war. Sie konnte also nie ihre Augen bewegen, sondern behalf sich stattdessen mit schnellen Kopfbewegungen, um in der Umwelt zurecht zu kommen.

Versuchsaufbau | Versuchsaufbau: Die Versuchsperson sollte auf einen im Gesichtsfeldrand erscheinenden Reiz reagieren, während sie ein zentrales Kreuz fixierte.
Im Experiment fixierte nun die Versuchsperson, die dabei ihren Kopf nicht bewegen konnte, ein Kreuz auf einem Bildschirm und sollte möglichst schnell reagieren, wenn rechts oder links ein Sternchen in einem Rechteck auftauchte. Das Auftauchen dieses Reizes wurde angekündigt, indem sich der Rahmen des Rechtecks plötzlich verstärkte.

Im Gegensatz zu Probanden mit gesunder Augenmuskulatur, die auf diesen kaum wahrnehmbaren Reiz im Blickfeldrand reagierten, versagte hier die Versuchsperson. Sie schien die Geschehnisse am Rande nicht wahrzunehmen, obwohl die Netzhaut ihres Auges wie auch die neurologische Verarbeitung ihres Gehirns nicht beeinträchtigt war.

Demnach scheint sich die Prämotor-Hypothese zu bestätigen: Auch wenn die Augenmuskulatur nicht unmittelbar in Aktion tritt, ist sie doch nötig, um das gesamte Geschehen in unserem Blickfeld zu erfassen – damit wir rechtzeitig vor dem Raubtier oder dem Auto zur Seite springen können.

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