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Polynesier: Im Expresszug durch den Pazifik

Kaum ein Volk hat sich schneller ausgebreitet als die Polynesier, wie alte DNA nun wohl endgültig belegt: Von Taiwan aus ging es schnurstracks bis nach Neuseeland.
Auslegerkanu mit typischem Krebsscherensegel

Vor rund 3000 Jahren begannen Menschen mit der Besiedlung der letzten noch unbewohnten Region dieser Erde: dem gewaltigen Pazifik mit seinen winzigen, verstreuten Inseln. Im Bismarck-Archipel finden sich die ersten Spuren ihrer Kultur, die Archäologen unter dem Namen "Lapita" kennen. Von dort aus ging es weiter zu Inseln wie Vanuatu, Fidschi oder Tonga und schließlich sogar bis ins entlegene Hawaii, nach Neuseeland und zur Osterinsel. Vor rund 700 bis 1000 Jahren war die Reise abgeschlossen.

So geht aus archäologischen Befunden und der Untersuchung ihrer Sprachen hervor. Strittig blieben allerdings die Anfänge. Ursprünglich stammten die Träger der Lapita-Kultur aus Taiwan. Auf ihrem Zug in den Pazifik kamen sie darum zwangsläufig an den bereits besiedelten Regionen Neuguineas und Melanesiens vorbei. Gingen sie nun gemächlich vor, wurden zunächst im heutigen Papua-Neuguinea heimisch und vermischten sie sich mit dort Ansässigen? Für das Szenario, das Forscher mit dem Begriff "Slow Boat" belegt haben, spricht, dass heutige Polynesier zu rund einem Viertel Erbgut papuanischen Ursprungs haben. Oder aber stießen sie ohne größeres Verweilen in den pazifischen Raum vor? Für diesen "Expresszug nach Polynesien" spricht beispielsweise die Tatsache, dass sich in ihrer Sprache keine papuanischen Einflüsse dingfest machen lassen. Auch aus archäologischer Sicht fehlen dafür Anhaltspunkte.

Das Erbgut von vier Angehörigen der Lapita-Kultur löst nun womöglich endgültig dieses Rätsel – zu Gunsten des zweiten Szenarios: Im Genom von vier Frauen, die vor etwa 2300 bis 3000 Jahren auf Vanuatu und Tonga bestattet wurden, fanden Pontus Skoglund von der Harvard Medical School und seine Kollegen keinerlei Hinweise auf papuanische Vorfahren. Stattdessen ähnelte das Genom der vier Frauen dem taiwanischer Ureinwohner und philippinischer Populationen ohne melanesisches Gen-Erbe. Die Träger der Lapita-Kultur, die Ackerbau betrieben, seien an den alteingesessenen Jägern und Sammlern vorbeimarschiert, ohne dass es zu größerer Interaktion kam – ein typisches Muster, dass sich auch in anderen Teilen der Welt zeigte.

Die Ergebnisse werfen allerdings zwangsläufig die Anschlussfrage auf: Wie kommt es trotz Durchmarsch zu einem Viertel papuanischen Erbguts? Skoglund und Team sind der Meinung, dass hier eine weitere Wanderungswelle Spuren hinterlassen haben dürfte, bei der Menschen bis zu 1000 Jahre später papuanische DNA auf die polynesischen Inseln brachten. Den groben Zeitpunkt dieser sekundären Expansion errechneten die Forscher anhand der Länge der entsprechenden DNA-Abschnitte. Es gilt dabei die Faustregel: Je kürzer die übernommenen Abschnitte, desto länger liegt die Vermischung zurück. Grund dafür ist, dass mit jeder Generation die Abschnitte weiter zerstückelt werden.

Das papuanische Erbgut brachten außerdem wohl hauptsächlich Männer in die Region. Denn die entsprechenden DNA-Abschnitte sind auf dem Y-Chromosom überrepräsentiert. Allerdings könnte dieses Muster auch auf eine matrilokale Gesellschaft zurückgehen, bei der der Mann seine Herkunftsfamilie verlässt und zu seiner Frau zieht.

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