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Abwasserreinigung: Im Kurzschluss Energie sparen

Zwei Klärbecken einer Kläranlage
Die herkömmliche Abwasserreinigung setzt auf Mikroorganismen, die organische Reste und Nährstoffe wie Ammonium oxidieren. Dafür wird sehr viel Sauerstoff gebraucht, der bei den verbreiteten Belebtschlammbecken unter hohem Energieaufwand eingeblasen werden muss. Ein alternativer Abbauweg, der einen Kurzschluss im Stickstoffkreislauf darstellt, böte dagegen sogar die Möglichkeit, Energie aus dem Prozess zu gewinnen.

Um Ammonium zu molekularem Stickstoff zu reduzieren, der dann als Gas aus dem Abwasser entweicht, wird der Nährstoff normalerweise in einer ersten Reaktion – der Nitrifikation – über Nitrit zu Nitrat oxidiert. In einem zweiten Schritt, der Denitrifikation, entsteht schließlich unter Luftabschluss N2. Bei der Kurzschluss-Variante, die Forscher in den 1990er Jahren in den Niederlanden entdeckten, wandeln spezialisierte Bakterien Ammonium und Nitrit direkt zu Stickstoff und Wasser um – bekannt als Anammox-Reaktion, einer Abkürzung für anoxische Ammonium-Oxidation. Die Bakterien besitzen dafür eine eigene Zellorganelle in ihrer Zellmembran und bestimmte Lipide, die ihnen wohl dabei helfen, ein giftiges Zwischenprodukt in Schach zu halten.

Was speziell klingt, ist jedoch keineswegs unbedeutend, immerhin ist diese Anammox-Reaktion verantwortlich für die Hälfte oder sogar mehr des Stoffumsatzes an Stickstoff in marinen Lebensräumen. Und für die Abwasserreinigung wäre sie vor allem deshalb interessant, weil sie die teure Sauerstoffeinspeisung deutlich reduzieren bis überflüssig machen würde, fassen Gijs Kuenen von der Universität Delft und seine Kollegen zusammen. Kuenen gehört zu den Entdeckern dieser bakteriellen Spezialisten, von denen eine Art auch nach ihm benannt ist.

Bisheriges Handikap des Verfahrens besteht allerdings darin, dass diese Mikroorganismen sehr langsam wachsen und daher nur für warmes Abwasser mit hoher Ammoniumbelastung geeignet sind, was aber untypisch ist für das klassische häusliche Abwasser. Kuenen und seine Mitarbeiter sehen die Lösung in granulärem Belebtschlamm. Demnach würde das Abwasser zunächst in ein normales Belebtschlammbecken fließen, in dem die gelöste organische Materie zu Biomasse umgebaut wird. Diese wird zusammen mit anderen absetzbaren Stoffen sedimentiert, um dann eine Biogasanlage zu speisen. Der Abfluss aus Belebtschlammbecken und aus der Biogasanlage – reich an Ammonium – würde dann zusammen in einem granulären Anammox-Belebtschlammreaktor behandelt. Auf diese Weise, so Kuenen und Co, ließen sich 24 Wattstunden pro Person und Tag gewinnen, während der herkömmliche Prozess 44 Wattstunden pro Person und Tag verschlingt.

Eine andere Möglichkeit, das Problem der Sauerstoffzufuhr zu lösen, nutzen Pflanzenkläranlagen: Die Wurzeln der Vegetation versorgen hier das Filtersubstrat mit Luftsauerstoff und ermöglichen so die Oxidation der unerwünschten Substanzen im eingespeisten Abwasser. Quasi direkt daneben bestehen sauerstofffreie Bereiche, in denen die Denitrifikation ablaufen kann. Ist das Filterbett mit sehr feinem Material gefüllt, gelingt es zudem, auch den Nährstoff Phosphat in größeren Mengen abzufangen. Allerdings muss hier immer abgewogen werden: Feinere Filter verstopfen schneller, was die Reinigungsleistung insgesamt mindert. (af)

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  • Quellen
Kartal, B. et al.: Sewage treatment with Anammox. In: Science 328, S. 702–703, 2010.

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