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Landflucht der Tiere: Immer mehr Kaninchen zieht es in die Städte

Und das sorgt für genetische Armut auf dem Land. Offenbar bietet die urbane Umwelt den Tieren bessere Lebensbedingungen als die freie Natur.
Wildkaninchen auf einer Wiese

Es war das europäische Gesellschaftsphänomen im 19. Jahrhundert: die Landflucht. Menschen zogen in die Städte, um in den neu entstandenen Industriezweigen Arbeit zu finden. Ein ähnliches Phänomen beobachteten nun Madlen Ziege von der Universität Potsdam und ihre Kollegen bei Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus). Offenbar zieht es immer mehr dieser Tiere in urbane Gefilde. Warum? Die Kaninchen finden dort inzwischen mehr Nahrung und allgemein bessere Lebensbedingungen als auf dem Land. Das hat allerdings einen negativen Effekt für die Exemplare zur Folge, die noch in ihrem angestammten Habitat verweilen: Ihre genetische Vielfalt scheint sich zu verringern, wie die Forscher berichten.

Laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) nimmt die Populationsgröße der Kaninchen in Europa stetig ab. Momentan stuft die IUCN die Tiere aus der Familie der Hasen als »potenziell gefährdet« ein. Die Gründe für den Rückgang sind die starke land- und viehwirtschaftliche Nutzung von Bodenflächen, aber auch Tierkrankheiten wie die Kaninchenpest (Myxomatose). Anders sieht hingegen die Lage in den Städten aus. Wie die Potsdamer Biologen in ihrer Studie in den »Scientific Reports« schreiben, registrierten Forscher in deutschen Städten steigende Populationsdichten. Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, haben Ziege und ihr Team nun die Wildkaninchen in und um Frankfurt am Main beobachtet und untersucht.

Dazu haben sie an mehreren Stellen in der Mainmetropole von den Tieren Gewebe- und Fellproben genommen und sie genetisch analysiert. Ihr Ergebnis: Je weiter außerhalb des Stadtkerns, desto geringer war die genetische Vielfalt unter den Kaninchen und desto höher die Anzeichen von Inzucht. Der Grund dafür sei, dass die Populationsdichte in der Stadt viel höher sei und die Kaninchen sich trotz des Straßenverkehrs leichter fortpflanzen könnten. Auf dem Land würden die wenigen Kaninchen weiter voneinander entfernt leben. »Das führt zu einer größeren Inzucht bei den Landtieren und letztlich zu einer Abwanderung in die Stadt«, sagt Madlen Ziege. Zudem gebe es in Städten auch weniger Fressfeinde, die den Kaninchen gefährlich werden könnten.

Damit die Tiere sich wieder vermehrt in ihrem vertrauten Ökosystem ansiedeln, müssten auf dem Land unterschiedlichere Nischen gepflegt werden. Gegenden mit Sträuchern und lockerem Erdreich, um Bauten anzulegen, bieten optimale Bedingungen für Wildkaninchen.

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