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Immunabwehr: Immunsystem schaltet vorausschauend auf Abwehr

Auf eine vermeintlich krankmachende Umgebung im Cyberspace reagiert unsere Körperabwehr ähnlich wie auf echte Krankheitserreger.
Eine unscharfe Illustration zeigt eine Person, die eine Hand hebt, um ein leuchtendes, virenähnliches Objekt abzuwehren. Im Hintergrund sind verschwommene, zellartige Strukturen zu sehen. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Schutz und Abwehr gegen virale Bedrohungen.
Droht uns jemand anzustecken, bereitet sich die Immunabwehr proaktiv darauf vor, etwaige Krankheitserreger zu bekämpfen. Das funktioniert sogar bei simulierten Begegnungen.

Unser Gehirn erkennt bereits im Voraus, wenn eine Infektion droht, und bereitet das körpereigene Immunsystem darauf vor. Das haben Experimente gezeigt, in denen Versuchspersonen in der virtuellen Realität (VR) einer Situation ausgesetzt wurden, in der vermeintlich eine Ansteckung mit Krankheiten drohte. Ein Forschungsteam um Andrea Serino von der Universität Lausanne (Schweiz) berichtet darüber im Fachjournal »Nature Neuroscience«.

Wenn wir mit Krankheitserregern in Kontakt kommen, etwa Bakterien oder Viren, löst das im Körper eine Abwehrreaktion aus. Sowohl Zellen der schnellen, unspezifischen Körperabwehr als auch solche der langsamen, spezifischen Immunreaktion fahren ihre Aktivität hoch. Wie das Gehirn und der Rest des Organismus dabei zusammenarbeiten, ist in großen Teilen noch unklar.

Serino und sein Team haben 248 junge, gesunde Erwachsene – davon 132 Frauen – einer scheinbaren Krankheitsgefahr ausgesetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekamen VR-Brillen aufgesetzt und fanden sich damit in einer virtuellen Umgebung wieder, in der sie auf menschenähnliche Avatare trafen. Einige dieser künstlichen Personen wirkten ansteckend, beispielsweise husteten sie oder hatten Hautausschlag. Andere zeigten neutrale oder ängstliche Gesichtsausdrücke, machten sonst aber einen gesunden Eindruck.

Wenn die Versuchspersonen einem »kranken« Avatar begegneten, der ihnen vermeintlich sehr nahe kam, reagierten sie auf Berührungen im Gesicht empfindlicher, als wenn sich eine »gesunde« künstliche Person näherte. Messungen der Hirnaktivität mithilfe von Elektroenzephalografie (EEG) oder funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) bestätigten das. Hirnregionen, die an der Verarbeitung von Sinneseindrücken sowie an der räumlichen Wahrnehmung mitwirken, reagierten auf die Annäherung »kranker« Avatare deutlich anders, als wenn eine »gesunde« Gestalt heranrückte.

Darüber hinaus nahm die Forschungsgruppe den Versuchsteilnehmern auch Blutproben ab und untersuchte sie. Dabei zeigte sich: Natürliche lymphoide Zellen, die zur unspezifischen Immunabwehr zählen, wurden aktiver, sobald die Versuchspersonen in der virtuellen Welt auf »ansteckende« Avatare trafen. Das entsprach einer echten Immunreaktion, wie die Fachleute in einem weiteren Experiment demonstrierten: Bei Versuchsteilnehmern, die eine Grippeschutzimpfung erhielten, fuhren die natürlichen lymphoiden Zellen ihre Aktivität auf ganz ähnliche Weise hoch.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn und der (restliche) Körper proaktiv zusammenarbeiten, um drohende Infektionen abzuwehren. Das Gehirn, folgern die Fachleute um Serino, kann das Immunsystem offenbar vorausschauend aktivieren, um eine eventuelle Krankheitsübertragung zu verhindern.

  • Quellen
Serino, A. et al., Nature Neuroscience 10.1038/s41593–025–02008-y, 2025

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