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News: In Aktion

Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts befindet sich die Sonne in einer Phase außergewöhnlich hoher Aktivität, die sich im häufigen Auftreten von Sonnenflecken, Gasausbrüchen und Strahlungsstürmen äußert. Das zeigt ein Rückblick in die Geschichte bis ins Jahr 850.
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Seit der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert beobachten Astronomen regelmäßig die Sonnenflecken. Hierbei handelt es sich um Regionen auf der Oberfläche der Sonne, in denen die Energieversorgung aus dem Inneren aufgrund der in ihnen wirkenden starken Magnetfelder behindert wird. Dadurch kühlen diese Gebiete um etwa 1500 Grad ab und erscheinen dunkel im Kontrast zu ihrer rund 5800 Grad heißen Umgebung. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt in einem etwa elfjährigen Aktivitätszyklus, der von längerfristigen Schwankungen überlagert ist. So gab es beispielsweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fast gar keine Sonnenflecken.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Aeronomie (MPAE) in Katlenburg-Lindau und der Universität von Oulu in Finnland verwendeten nun eine neue Methode, um Aufschluss auch über die Entwicklung der Sonnenfleckenzahl vor dem Beginn der direkten Aufzeichnungen zu gewinnen. Die Experten werteten dazu die in Bohrkernen aus Grönland- und Antarktis-Eis gemessene Häufigkeit von Beryllium-10 aus. Dieses radioaktive Isotop entsteht, wenn energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre eindringen und dabei Atomkerne von Stickstoff und Sauerstoff zerschlagen. Bei diesen Zerfallsprozessen entsteht Beryllium-10, dessen Halbwertszeit 1,6 Millionen Jahre beträgt und das bei Niederschlägen aus der Atmosphäre ausgewaschen wird und sich in den polaren Eisschilden schichtweise niederschlägt. Da die kosmische Strahlung durch das den interplanetaren Raum erfüllende Magnetfeld der Sonne teilweise abgeschirmt wird, schwankt die Häufigkeit des erzeugten Beryllium-10 auf der Erde mit der Stärke dieses Magnetfelds, das selbst wiederum mit der Häufigkeit von Sonnenflecken in Verbindung steht.

Beim Vergleich der Beryllium-10-Daten mit den historischen Aufzeichnungen über Sonnenflecken stellten die Forscher ein hohes Maß an Übereinstimmung fest. Damit war es ihnen auch möglich, die neue Rekonstruktionsmethode zu testen und zu eichen. Dem Sonnenforscher-Team ist es nun gelungen, erstmals jedes Glied der komplexen Kette – von der Isotopenhäufigkeit im Eis bis hin zur Sonnenfleckenzahl – mit konsistenten physikalischen Modellen beschreiben. Dazu gehört die Entstehung von Beryllium-10 durch die kosmische Strahlung, die Modulation der kosmischen Strahlung durch das interplanetare Magnetfeld und schließlich der Zusammenhang zwischen dem Magnetfeld der Sonne und der Zahl ihrer Flecken. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern erstmals, eine quantitativ zuverlässige Bestimmung der Sonnenfleckenzahl auch für die Zeit vor dem Beginn der direkten Aufzeichnungen zu gewinnen.

Diese Daten zeigen klar, dass sich die Sonne seit etwa 60 Jahren in einem Zustand ungewöhnlich hoher Aktivität befindet. Der Zeitraum, für den man diese Aussage machen kann, hat sich durch die neuen Untersuchungen jetzt verdreifacht, denn nun liegen die rekonstruierten Sonnenfleckenzahlen schon vom Jahre 850 an vor. Eine weitere Periode erhöhter Sonnenaktivität, allerdings mit erheblich weniger Sonnenflecken als in der jetzigen Phase, trat im Mittelalter zwischen den Jahren 1100 und 1250 ein. Damals herrschte auf der Erde eine Warmzeit, während der die Wikinger blühende Siedlungen in Grönland unterhielten.

Die Sonne wirkt über verschiedene physikalischen Mechanismen auf die Klimaentwicklung ein: Einerseits schwankt die Gesamtstrahlung und insbesondere der Anteil im Ultraviolett-Bereich mit der Sonnenaktivität. Sind also viele Sonnenflecken zu sehen, ist die Sonne insgesamt etwas heller als in "ruhigen" Zeiten und zeigt eine erheblich erhöhte Ultraviolettstrahlung. Andererseits schwankt die auf die Erdatmosphäre einfallende kosmische Strahlung im genau entgegengesetzten Rhythmus zur Sonnenaktivität, da sie vom Magnetfeld der Sonne jeweils mehr oder weniger abgeschirmt wird. Die von der kosmischen Strahlung erzeugten Ionen wirken – nach einem viel diskutierten Modell dänischer Forscher – als Kondensationskeime für größere Schwebeteilchen und fördern deshalb die Wolkenbildung. Bei hoher Sonnenaktivität – und damit stärkerem Magnetfeld – nimmt folglich die kosmische Strahlung und mit ihr auch die Bewölkung auf der Erde ab, so dass die Temperaturen auf der Erde sinken. Umgekehrt zieht eine geringere Sonnenaktivität niedrigere Temperaturen nach sich.

Diese neuen Befunde rücken die Frage, welcher Zusammenhang zwischen den Schwankungen der Sonnenaktivität und dem Klima auf der Erde besteht, in den Brennpunkt der aktuellen Forschung. Auf der Erde spielt der Einfluss der Sonne – neben der Emission des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl – eine zunehmende Rolle als Ursache für die seit 1900 beobachtete globale Erwärmung. "Doch auch nach unseren neuen Erkenntnissen über die Schwankungen des solaren Magnetfelds ist der seit 1980 eingetretene starke Anstieg der Erdtemperatur wohl vor allem dem durch das Kohlendioxid bewirkten Treibhauseffekt zuzuschreiben", erklärt Sami Solanki, Sonnenphysiker und Direktor am Max-Planck-Institut für Aeronomie.

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