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News: In der Not...

Enhydra lutris, der Seeotter, spielt eine zentrale Rolle im marinen Ökosystem vor der Küste Alaskas: Er ernährt sich von Seeigeln und hilft so, die Seegraswälder im Meer zu erhalten, die einer ganzen Reihe von Arten als Futter dienen - von Ringelgänsen bis zu Weißkopfseeadlern. Jetzt kämpfen die Otter anscheinend selbst ums Überleben - mit womöglich katastrophalen Konsequenzen für das Ökosystem. Wissenschaftler vermuten, daß Schwertwale begonnen haben, die kleinen Meeressäuger zu fressen - vielleicht weil ihre gewöhnliche Beute, Robben und Seelöwen, seltener wird.

Um das Jahr 1990 herum bemerkten das Team um James Estes von der Biological Resources Division der U.S. Geological Survey und der University of California und andere Forscher, daß Seeottergruppen immer seltener wurden. Auf 800 Kilometern entlang der Küstenlinie der Aleuten sind die Otterzahlen von etwa 53 000 Tieren in den 70er Jahren auf nur 6 000 Exemplare im Jahr 1997 gefallen, schätzt die Gruppe. Die Wissenschaftler berichten von schweren ökologischen Konsequenzen: Auf Adak Island beispielsweise gibt es nur noch etwa 300 Seeotter. Die Seeigel-Bevölkerung erlebt eine Blütezeit und die Dichte der Seegraswälder ist um das Zwölffache gesunken.

Einen Hinweis zur Lösung des Rätsels um das Verschwinden der Otter erhielten die Forscher im Jahr 1991, als sie zum ersten Mal beobachteten, wie ein Schwertwal, Orcinus orca, einen Seeotter fraß. Vorher nahmen die Wissenschaftler an, daß die Wale die kleinen Meeressäuger, die nur wenig Kalorien liefern, zugunsten größerer, fettbeladener Seehunde (Phoca vitulina) und Seelöwen (Eumetopias jubatus) verschmähen. "Das zeigt, daß die Orcas wirklich verzweifelt sind", erklärt Paul Dayton von der Scripps Institution of Oceanography: "Sie essen Popcorn statt Steaks."

Das Team um Estes versah daraufhin zwei Versuchsgruppen von Seeottern mit Radiosendern: 17 Tiere in einer Lagune, in die Orcas nicht eindringen können, und 37 Otter in einer offenen Bucht. Über zwei Jahre hinweg war die Sterberate in der Bucht sehr viel höher. Schließlich kalkulierten die Wissenschaftler, daß das Dutzend beobachteter Schwertwalangriffe auf Otter, auf die ganze Population hochgerechnet, vollständig für den Niedergang der Otterzahlen verantwortlich sein könnte. Erstaunlicherweise würden vier Wale ausreichen, um die Otter auf 3 000 Kilometern Küstenlinie zwischen den Inseln Kiska und Seaguam zu dezimieren (Science vom 16. Oktober 1998).

Die Wissenschaftler wissen nicht genau, was die Orcas dazu veranlaßt hat, ihren Speiseplan umzustellen. Estes Ansicht nach könnte die Überfischung der Bering See die Kettenreaktion ausgelöst haben, die zum Verschwinden der Otter führt. Der Aufschwung der kommerziellen Fischerei in diesem Gebiet, könnte die Nahrungsreserven von Robben und Seelöwen drastisch eingeschränkt oder geändert haben. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß die Überfischung sich auch auf Arten auswirkt, von denen das nicht erwartet worden wäre, meint der Wissenschaftler. Andere Forscher bezweifeln, daß allein die Überfischung verantwortlich ist. Wahrscheinlich ist der Grund, weshalb die Wale sich umstellen, sehr kompliziert, meint Dayton.

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