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Parasiten: In fremden Betten

Filzläuse gelten nicht gerade als Sympathieträger. Dabei schleppt die Menschheit die kleinen Plagegeister wohl schon ziemlich lange mit sich herum. Eine Vorliebe für Gorillas könnte der Grund sein.
Filzlaus
Ein kleiner, gedrungener Körper, sechs kurze Beine mit kräftigen Klauen bestückt – schon rein äußerlich wirkt Phthirus pubis wenig kuschelig. Außerdem hat sich das Tier ein Revier erkoren, das eher peinliches Schweigen auslöst: die menschliche Schambehaarung.

Phthirus pubis | Die Filzlaus (Phthirus pubis, hier eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme) kommt vor allem in der menschlichen Schambehaarung vor. Mit ihren mächtigen Klauen klammert sie sich fest.
Vor allem hier, aber auch unter den Achseln, im Bart oder in den Augenbrauen fühlt sich die Filz- oder Schamlaus wohl und zapft menschliches Blut ab. Dabei lässt sie ihren Stechrüssel mitunter stunden- bis tagelang in der selben Wunde, um sich hier ab und zu am Lebenssaft zu laben. Damit das Blut nicht gerinnt, injiziert die Laus ein Sekret, das die Wunde graublau verfärben lässt und einen starke Juckreiz verursacht.

Nun wird der Mensch bekanntlich nicht nur in der Scham, sondern auch an Haupt und Gliedern von Läusen geplagt. Kopf- und Kleiderlaus – die als Unterarten der Spezies Pediculus humanus gelten – hat die Menschheit vermutlich schon von seinen tierischen Vorfahren geerbt. So gibt es eine nah verwandte Art, Pediculus schaeffi, die sich im Pelz von Schimpansen häuslich eingerichtet hat. Filzläuse haben Schimpansen jedoch nicht. Woher kommt dann die zweite Menschenlausart?

Pediculus humanus | Pediculus humanus wird in zwei Unterarten gegliedert: die Kopflaus (Pediculus humanus capitis) und die Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis).
Vom Gorilla, meint David Reed. Denn mit Phthirus gorillae sind auch diese Menschenaffen belaust – denen wiederum die Gattung Pediculus fehlt. Damit ergibt sich jedoch ein Problem: Wenn wir Menschen beide Parasiten vom letzten gemeinsamen Vorfahren übernommen haben, müsste Phthirus beim Schimpansen und Pediculus beim Gorilla ausgestorben sein. Ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario.

Genetische Methoden sollten der Lausgeschichte auf den Grund gehen. Zusammen mit seinen Kollegen von der Universität Florida sammelte der Biologe Läuse ein – von Mensch, Gorilla, Schimpanse und anderen Affen – und analysierte hier zwei fundamentale Erbfaktoren: aus den Mitochondrien Cox1, das für eine Untereinheit des Enzyms Cytochrom-c-Oxidase kodiert, und aus dem Zellkern EF-1-alpha, das bei der Genablesung eine zentrale Rolle spielt.

"Es muss nicht gleich das sein, was wohl viele Leute zunächst vermuten – nämlich Geschlechtsverkehr zwischen Menschen und Gorillas"
(David Reed)
Aus den genetischen Unterschieden lässt sich nun abschätzen, wann sich die einzelnen Schmarotzer abgespalten haben. Dabei zeigte sich, dass sich vor schätzungsweise 13 Millionen Jahren die Gattungen Phthirus und Pediculus getrennt haben. P. schaeffi und P. humanus gehen vermutlich seit sechs Millionen Jahren eigene Wege – und damit etwa genau so lange wie ihre Wirte Schimpanse und Mensch.

Die Schamlaus Phthirus pubis tauchte jedoch nach den Berechnungen der Forscher erst vor vier bis drei Millionen Jahren auf. Da hatte sich die menschliche Linie vom Gorilla längst abgesondert. Damit eine Filzlaus von einem Wirt zum anderen wandert, bedarf es jedoch eines engen Kontakts, da sie abseits des Körpers binnen eines Tages zu Grunde geht. Hat sich da ein Menschlein mit einem Gorilla eingelassen?

"Es muss nicht gleich das sein, was wohl viele Leute zunächst vermuten – nämlich Geschlechtsverkehr zwischen Menschen und Gorillas", meint Reed. "Statt dieser etwas schlüpfrigen Geschichte kann man sich leicht auch ein viel züchtigeres Verhalten vorstellen."

Reed vermutet vielmehr, dass sich die menschlichen Vorfahren gerne Erdmulden als Nachtquartier gesucht haben, in denen zuvor ein Gorilla sein Lager hatte. Und in diesem gemachten Bett erwartete schon die Filzlaus den neuen Besucher.

Genauso gut könnte sich der Mensch die zweite Lausart auch beim Verzehr von Affenfleisch eingefangen haben. "Leider werden sogar heute noch Gorrillas wegen ihres Fleisches getötet", betont Reed. "Wenn auch Urmenschen diese Tiere vor 3,3 Millionen Jahren geschlachtet und verzehrt haben, dann wäre es für die Läuse ein Leichtes, von der Beute zum Räuber zu gelangen."

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