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Paarungsverhalten: Ins rechte Licht gerückt

Aparter Streifenlook, jedes Haar am Platz, große, runde, dunkle Augen - ein betörender Anblick, diese Cosmophasis umbratica. Zugegeben, manche Zweibeiner sehen das anders. Dabei bleibt das Wichtigste für sie unsichtbar: Ohne lockendes Leuchten läuft bei dieser Springspinne gar nichts.
<i>Cosmophasis umbratica</i>
Spinnensex? Da geht es normalerweise um beschwichtigende Brautgeschenke und flinke Fluchtmanöver, um einen ungleichen Kampf auf Leben und Tod zwischen David und Goliatha. Um ein dickes, skrupelloses Weibchen, dem das arme, zarte Männchen mit Trug und Tricks eine Begattung regelrecht abluchsen muss. Eine falsche Bewegung, die Madame wird zur Megäre, und der Vater in spe verliert mindestens ein paar Beine oder endet ganz als Nachtisch im Bauch der Auserkorenen. Vieles davon ist reine Legende und hält sich dementsprechend hartnäckig.

Aber Spinnenflirt? Wechselseitiges Necken und Locken, Schmücken und Schäkern, Prahlen und Prüfen? Das gehört wohl eher ins Reich anderer tierischer und menschlicher Naturen. Achtbeiner, so denken sicher manche, geben sich mit solchem Firlefanz nicht ab. Anschleichen, begatten, bevor sie's merkt, und schnell wieder weg. So weit zum Höhepunkt im Spinnenmännchenleben.

Cosmophasis umbratica | Auch für menschliche Augen ein durchaus schmuckes Tierchen: die Springspinne Cosmophasis umbratica. Männchen (links) und Weibchen (rechts) von Angesicht zu Angesicht und aus der Vogelperspektive.
Cosmophasis umbratica sieht das anders – sowohl im weiteren als auch im engeren Sinne. Begegnet hier Springspinnenmann Springspinnenfrau, macht der Große der Kleinen den Hof: Stolz reckt er den bunt gestreiften Hinterleib in die Höhe, drückt die Knie durch und trommelt mit den behaarten Tastern. Und sie? Wenn sie nicht einfach das Weite sucht, weil sie der Typ nicht interessiert, krümmt sie Beine und Leib oder rennt auch mal weg – aber nur kurz. Ein bisschen Spannung schadet schließlich nie.

Für Menschenaugen sieht das ganz putzig aus. Dabei bleibt uns aber das eigentlich Entscheidende verborgen: ein Farbspektakel in Fluoreszenzgrün und Ultraviolett. Denn im rechten Licht betrachtet, strahlt der Spinnenmann seiner Angebeteten durch UV-reflektierende Flecken auf dem ganzen Körper seine Leidenschaft entgegen. Sie verzichtet auf solch umfangreiche Leuchtreklame und beschränkt sich stattdessen auf die Taster, die durch das UV-Licht angeregt geisterhaft ergrünen.

Unter der UV-Lampe | Unter UV-Bestrahlung offenbaren sich die geheimen Leuchtzeichen der Spinnenart: Die Männchen besitzen über den ganzen Körper verteilt UV-reflektierende Flecken, während die Weibchen sich auf fluoreszierende Taster beschränken. Werden ihnen diese Leuchtmarken genommen, indem sie ohne UV-Anteil bestrahlt werden, fällt der sonst übliche Spinnenflirt aus.
Und dabei geht es um mehr als nur ein bisschen Aufhübschen: Streifenmuster, stattliches Gehabe, steife Beine – all das dient nur dem Zweck, die funkelnden Signale in den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit zu rücken. Denn fehlen sie, so demonstrierten Daiqin Li von der Nationalen Universität Singapurs und seine Kollegen, fällt der Flirt aus. Die Forscher hatten für den Nachweis einfach das UV-Licht über den Glaskästen einzelner Tiere herausgefiltert. Legten sich diese nun auch noch so ins Zeug, ihr Gegenüber zu betören – alles umsonst. Mann wie Frau wendeten sich gelangweilt ab oder reagierten schlicht überhaupt nicht [1].

Die Farbwahl ist dabei weniger ungewöhnlich, als sie scheinen mag. Springspinnen können hervorragend sehen, und ihre großen Hauptaugen besitzen Fotorezeptoren, deren höchste Empfindlichkeit im UV- und im grünen Bereich liegen. Außerdem konnten Li und sein Team schon beobachten, dass UV-Signale eine Rolle spielen, wenn zwei Männchen aufeinander treffen: Blieb eines der Tiere mangels UV-Bestrahlung in diesem Bereich dunkel, drohte das Gegenüber seltener und verwechselte es offenbar sogar mit einem Weibchen – denn es begann zu balzen. Dasselbe beobachteten die Forscher auch, wenn sie die Tiere vor einen Spiegel setzten und sie mit dem Lampentrick ihrer Leuchtsignale beraubten [2].

Und Cosmophasis umbratica befindet sich in guter Gesellschaft: Auch andere Spinnen, viele Insekten oder Pflanzen nutzen diese Wellenlängen sowohl zum Tarnen und Täuschen als auch zum Warnen und Werben. Oder die Vogelwelt – Papageien lassen ihr Gefieder fluoreszieren; Meisen, Tangaren und Co setzen auf UV-Reflexion, die sie zum Schutz vor scharfen Feindesaugen vorsichtshalber auf manche Körperregionen beschränken.

Die Welt ist bunt, viel bunter, als wir erkennen können. Und bevor Sie beim nächsten Springspinnenbesuch zum Besen, Staubsauger oder Evakuierungsglas greifen, schauen Sie ihm oder ihr doch mal tief in die großen, runden, dunklen Augen – sehen so etwa Gattenmörder aus? Na also.

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