Inselevolution: Inselleben machte Karibik-Affen träge
Vor rund elf Millionen Jahren wanderten einige Affen vom südamerikanischen Festland nach Jamaika aus: Wahrscheinlich war damals eine ausreichend große Gründerpopulation von ihnen erst unglückliche Umstände auf schwimmendem Treibgut ins Meer geraten und durch glückliche Fügung dann auf der Reggaeinsel an Land gespült worden. Anschließend begann dann die ganz eigene Milieu der Insel an den Nachkommen und Nachnachkommen zu arbeiten – und machte die einst hektisch beweglichen Kleinaffen allmählich zu einer bemerkenswerten Art Primatenfaultier: Dem Jamaika-Affen Xenothrix mcgregori, einer seit Langem recht mysteriösen Spezies, die bis vor vielleicht 900 Jahren noch gelebt hatte, um dann doch auszusterben. Diese Variante der bisher lückenhaft verstandene Ahnengeschichte der Tiere erzählen nach DNA-Analysen nun Forscher um Ross MacPhee vom American Museum of Natural History in der Fachzeitung »PNAS«.
MacPhee und Kollegen haben Erbgutproben aus den Beinknochen von zwei X. mcgregori-Exemplaren analysiert, die rund 1500 Jahre lang im Boden der Karibikinsel gelegen hatten. Der Sequenzvergleich ergab dann eine recht nahe Verwandtschaft zu noch heute lebenden südamerikanischen Vertretern aus der Springaffen-Unterfamilie, nicht aber zu älteren Linien von typischen Affen der Karibikinseln. Springaffen – der nächste heutige Verwandte gehört zur Gattung Cheracebus – und Jamaika-Affen dürften sich in ihrer Lebensführung deutlich unterschieden haben: Die einen sind sehr lebhafte und agile Tier, die anderen sollten sich dagegen eher gemächlich und methodisch durchs Blattwerk der Baumkronen gefressen haben, um die in Jamaika unumstrittene ökologische Planstelle der in vielerleiHinsicht einzigartigen Faultiere auszufüllen. Auch anatomisch veränderten sich die Jamaika-Affen dabei deutlich, seit sie sich vor etwa elf Millionen Jahren von den anderen Springaffen trennten: Die Beine der Primaten entwickelten sich zu gemächlich funktionierenden, aber ausdauernden Kletter- und Klammerwerkzeugen, während zumindest zwei typische, riesige Mahlzähne kleinere spitze Zähne ersetzen.
Ein weiteres Mal zeigt das Beispiel der Jamaika-Affen die besonderen Evolutionsverläufe auf Inseln, merken die Forscher an. Im Fall der Jamaika-Affen-Inselevolution spielten wohl eine freie ökologische Nische und das Fehlen großer gefährlicher Raubtiere eine Rolle. Die Karriere als Faultier hat sich in der Rückschau insgesamt als vergleichsweise erfolgreich entpuppt: Auf Jamaika und anderen Karibikinseln finden sich viele ziemlich einzigartige Überreste von unterschiedlichsten Affen, die teilweise schon vor 20 Millionen Jahren und danach immer wieder einmal den Sprung übers Meer geschafft hatten. Nur wenigen Spezies gelang es dann aber, so eigene Akzente wie Xenothrix mcgregori zu setzen.
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