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Inseln: Vermeintlich eingeschleppte Echsen entpuppen sich als Ureinwohner

Leguane sind ziemlich zähe Tiere – und sie können erstaunlich lange über das Meer reisen. Das gelang ihnen im Pazifik unabhängig von uns Menschen.
Ein Leguan sitzt auf einem Felsen in einer weitläufigen, hügeligen Landschaft mit grüner Vegetation. Im Hintergrund erstreckt sich die Landschaft bis zum Meer, das am Horizont sichtbar ist. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Ruhe und natürlicher Schönheit.
Leguane gehören zur natürlichen Fauna der mexikanischen Insel Clarión und kamen selbst über das Meer hierher.

Das mexikanische Revillagigedo-Archipel im Pazifik ist so etwas wie Galapagos im Kleinformat: eine Inselgruppe mit einzigartigen Tieren und Pflanzen, die von eingeschleppten Arten bedroht werden. Zu diesen Invasoren zählten lange auch die Stachelschwanzleguane (Ctenosaura sp.) auf Clarión, der zweitgrößten Insel des Archipels. Die mexikanische Regierung hatte sogar schon Pläne ausgearbeitet, die Echsen vor Ort auszurotten. Doch eine Studie von Daniel Mulcahy vom Museum für Naturkunde in Berlin und seinem Team zeigt: Die Reptilien gelangten schon vor rund 425 000 Jahren nach Clarión – und damit lange bevor überhaupt Menschen Amerika besiedelten.

Mulcahy hatte die Insel bereits 2013 auf der Suche nach einer Schlangenart besucht, die dort leben sollte. Dabei stieß er auf die Leguane, von denen rund 100 Tiere auf Clarión existieren könnten. Er entnahm dabei Gewebematerial sowie ein Exemplar, das schließlich in der zoologischen Sammlung der Autonomen Universität von Mexiko eingelagert wurde. Die Untersuchung der DNA im Vergleich zu Stachelschwanzleguanen, die auf dem mexikanischen Festland leben, brachte deutliche Abweichungen ans Licht. Gleichzeitig bemerkten die Biologen, dass die Tiere auf der Insel anders aussehen als ihre Verwandten auf dem Kontinent.

Über Analysen der mitochondrialen DNA – die nur von weiblichen Tieren weitergegeben werden kann – ermittelten Mulcahy und Co, seit wann sich die beiden Populationen getrennt voneinander entwickelt haben: Sie kamen auf einen Zeitraum von mehreren Hunderttausend Jahren. Es ist damit ausgeschlossen, dass Menschen den Leguanen bei der Besiedelung der Insel geholfen haben könnten. Stattdessen handelt es sich um Ureinwohner von Clarión. Wahrscheinlich trieben die Tiere auf Pflanzenmatten oder entwurzelten Bäumen über das Meer.

Unter Leguanen ist das nicht ungewöhnlich: Auf ähnliche Weise erreichten die Reptilien die Galapagosinseln, die beachtliche 1100 Kilometer vor der Küste Ecuadors liegen. Die Fidschi-Leguane könnten sogar 8000 Kilometer über das Meer gereist sein: Ihre Vorfahren stammen einer Studie zufolge aus Nordamerika.

Dass die Stachelschwanzleguane von Clarión nicht als heimisch betrachtet wurden, könnte mit der ökologischen Geschichte der Insel zusammenhängen. Ursprünglich war sie dicht bewachsen, weshalb die Echsen unentdeckt blieben. Seit den 1970er-Jahren haben jedoch tatsächlich vom Menschen eingeführte Tiere wie Schafe, Schweine und Kaninchen weite Teile der Vegetation zerstört: ein Problem, das viele Inselökosysteme bedroht. Erst nach dieser Entwaldung wurden die scheuen Leguane regelmäßig beobachtet, weshalb man dachte, dass auch sie Neuankömmlinge wären.

Schafe und Schweine wurden inzwischen wieder ausgerottet, sodass sich das Ökosystem der Insel langsam erholt. Mulcahy und sein Team möchten jetzt der mexikanischen Regierung klarmachen, dass die Leguane einheimisch sind. Ihnen soll das Schicksal der anderen tierischen Einwanderer erspart bleiben.

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  • Quellen
Mulcahy, D. et al., Ecology and Evolution 10.1002/ece3.72366, 2025

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