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News: Integration statt Isolation

Künstliche Implantate werden normalerweise von unserem Immunsystem als "Fremdkörper" erkannt und bekämpft, was jedoch deren Lebensdauer nachdrücklich verkürzt. Doch Forscher haben nun entdeckt, wie sie den medizinischen Ersatzteilen ein besseres Schutzschild verpassen können.
Wer gesund ist, macht sich meist kaum Gedanken um solche Dinge wie Herzschrittmacher und künstliche Knie- oder Hüftgelenke. Doch viele Menschen sind auf derartige medizinische Hilfsstrukturen angewiesen und wären ohne sie teilweise stark beeinträchtigt. Allerdings akzeptiert unser Immunsystem die Ersatzteile nur widerwillig, denn immerhin bestehen sie nicht aus gewohntem Material wie Knochen, Muskeln und Sehnen, sondern oft aus Metall. Was beginnt, ist ein langwieriger Kampf, der den Fremdkörper in die Schranken weisen und uns vor dem vermeintlichen "Eindringling" schützen soll.

Eigentlich reagiert die körpereigene Schutztruppe damit vorbildlich, doch der Angriff des Immunsystems auf medizinischen Implantate verkürzt deren Lebensdauer. Zahlreiche Makrophagen – spezielle Formen der weißen Blutzellen – belagern regelrecht den als schädlich identifizierten Bestandteil des Körpers. Dadurch entsteht Narbengewebe, das den Fremdkörper einkapselt und isoliert. Als sei dies noch nicht genug, wandeln sich viele der Makrophagen in wahrhaft ätzende Zeitgenossen um und beginnen, ihren künstlichen Gegner zu zersetzen. Im Zweifelsfall muss dann nach einigen Jahren beispielsweise die Ersatzhüfte ausgetauscht werden – Folgeeingriffe, die den Patienten gerne erspart blieben.

William Brodbeck und seine Kollegen von der Case Western Reserve University in Cleveland beschäftigten sich mit der Lösung dieses Problems. Und ihre Ergebnisse werfen die bisherige Lehrmeinung über den Haufen, medizinische Implantate sollten zwecks Langlebigkeit möglichst wenig reaktive – also inerte – Oberflächen besitzen. Denn ihre Versuche an Ratten zeigten nun, dass nicht die chemische Unantastbarkeit, sondern eine gewisse Reaktivität künstlichen Gelenken und anderen Implantaten Schutz vor den Attacken unseres Abwehrsystems verleiht.

Vor allem hydrophile Oberflächen zeigten sich im Gewebetest besonders verträglich. Die Forscher entdeckten sogar, dass die Hälfte aller auf den hydrophilen Implantaten haftenden Makrophagen schnell das Handtuch warfen und starben. Zudem wandelte sich der restliche Teil dieser Fresszellen weniger häufig in die für die künstlichen Ersatzteile bedrohliche Zersetzungsmaschinerie um. Ähnliche Effekte wurden auch bei der Verwendung von Polymeren aus organischen Säuren beobachtet, welche die schützende Wirkung durch ihre negativ geladenen Gruppen erzielen.

Die Wissenschaftler um Brodbeck schlagen nun vor, medizinische Implantate wie beispielsweise künstliche Knie- oder Hüftgelenke mit solchen Oberflächen zu versehen, um sie robuster gegen den Immunangriff und damit verträglicher für die Patienten zu machen. Die längere Lebensdauer derartiger Implantate würde für dessen Träger ein verringertes Entzündungsrisiko bedeuten und die Zeitspanne zwischen den Operationen verlängern, bei denen die künstlichen Ersatzteile ausgetauscht werden müssen.

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