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Bisamratte, Bärenklau & Co: Invasive Arten sind so teuer wie Naturkatastrophen

Die finanziellen Verluste, die eingewanderte Arten wie Zebramuscheln, Riesenbärenklau und Bisamratten hervorrufen, werden fahrlässig unterschätzt. Eine aktuelle Studie beziffert erstmals die Höhe.
Bisam (Ondatra zibethicus)
Sieht niedlicher aus, als er ist: Der aus Nordamerika eingeschleppte Bisam (Ondatra zibethicus) richtet kostspielige Schäden an Ufern, Verkehrswegen, Fischteichen und wasserbaulichen Schutzeinrichtungen an.

Waldbrände, Erdbeben, Wirbelstürme und Überschwemmungen bringen ohne Frage großes Leid über Menschen, Tiere und Natur. Sie zerstören Häuser und Lebensräume, meist sind zahlreiche Todesopfer zu beklagen und die Infrastruktur im Anschluss wieder in Stand zu setzen verursacht Kosten in Milliardenhöhe. Ebenso schwer wiegt jedoch laut einer aktuellen Studie eine schleichende Gefahr: Die finanziellen Verluste durch gebietsfremde, eingewanderte Arten waren in den zurückliegenden Jahren ähnlich hoch wie jene durch Naturkatastrophen.

Zu diesem Schluss kommt eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung von Wissenschaftlern der Université Paris-Saclay in einer aktuellen Studie. Die Neobiota, wie sie fachsprachlich heißen, demolieren Infrastruktur, schädigen Nutzpflanzen, zerstören Forstplantagen, reduzieren Fischereierträge, beeinflussen die menschliche Gesundheit oder den Tourismus. Die Konsequenzen der biologischen Invasion würden fahrlässig unterschätzt, schließen die Fachleute in ihrer Analyse. Ihre Ergebnisse haben sie nun in der Fachzeitschrift »Perspectives in Ecology and Conservation« veröffentlicht.

Demzufolge beliefen sich die finanziellen Verluste durch invasive, gebietsfremde Arten von 1980 bis 2019 auf 1,21 Billionen US-Dollar (rund 1,10 Billionen Euro), verglichen mit 1,91 Billionen US-Dollar (rund 1,75 Billionen Euro) durch Stürme, 1,14 Billionen US-Dollar (rund 1,04 Billionen Euro) durch Erdbeben und 1,12 Billionen US-Dollar (1,02 Billionen Euro) durch Überschwemmungen. Zudem stiegen die Kosten, die Neozoen (eingewanderte Tiere) und Neophyten (eingewanderte Pflanzen) verursacht haben, in diesem Zeitraum schneller an als die Kosten von Naturkatastrophen. Die Zahlen ermittelten die Forscher nach eigenen Angaben mit Hilfe der InvaCost-Datenbank, in der derzeit mehr als 13 500 durch biologische Invasionen verursachte Ausgaben weltweit aufgeführt sind. Die Kosten von Naturkatastrophen auf globaler Ebene stellten sie anhand der International Disaster Database sowie mit Daten der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zusammen.

Invasive gebietsfremde Arten haben eine lang anhaltende und oftmals kumulative Wirkung: Die Zebramuschel (Dreissena polymorpha) zum Beispiel kann sich an einer Vielzahl von Untergründen festsetzen und von Schiffsrümpfen bis hin zu den Rohren von Kernkraftwerken alles verwüsten. Ende der 1960er Jahre siedelte sie sich im Bodensee an. Die Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis) folgte 2016. (Mehr dazu auf Spektrum.de: »Invasion im Bodensee«.) Die beiden Arten sind verwandt, stammen aus dem Schwarzmeerraum und kommen mittlerweile in großen Teilen Europas und Nordamerikas vor. Ihre Ausbreitung ist problematisch, weil sie sich in kürzester Zeit stark vermehren.

900 invasive Arten haben sich in Deutschland etabliert

Seit dem Jahr 1492 konnten sich in Deutschland laut dem Bundesamt für Naturschutz rund 900 Neobiota-Arten dauerhaft etablieren und ausbreiten. Zusätzlich gibt es aktuell rund 1640 gebietsfremde Pflanzen-, 38 gebietsfremde Pilz- und 460 gebietsfremde Tierarten, die bisher nur vereinzelt nachgewiesen werden konnten und damit noch als unbeständig gelten. Etwa 100 Neobiota werden als invasiv, das heißt schädlich eingestuft. Die Auswertung für die Gruppe der Insekten steht noch aus.

Bislang seien die Investitionen, die getätigt werden, um die weitere Einwanderung und Ausbreitung invasiver Arten zu verhindern oder zu bekämpfen, zehnmal geringer als die dadurch verursachten finanziellen Verluste, schreibt das Forschungsteam. Ihre Ergebnisse erforderten nun die Einführung von Aktionsplänen und internationalen Vereinbarungen, um die Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten zu begrenzen, ähnlich denen, die im Zusammenhang mit Naturkatastrophen umgesetzt werden.

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