Iran-Krieg: Welche Langzeitfolgen haben Bomben auf Irans Atomanlagen?

Die Atombombe steht im Zentrum des Konflikts, der nun zu einem kurzen, aber dramatischen Krieg zwischen Israel und den USA auf der einen Seite und Iran auf der anderen Seite eskalierte. Bis zu 14 Tonnen schwere Bomben trafen mehrere der zum Teil dutzende Meter tief vergrabenen Anlagen mit großen Mengen radioaktiven Materials. Nun gilt ein Waffenstillstand oder vielleicht auch nicht. Schon jetzt allerdings sind mehrere Atomanlagen im Iran ernsthaft beschädigt – und aus der Vergangenheit kennt man die potenziell jahrzehntelangen Folgen nuklearer Katastrophen.
Der Vergleich mit Nuklearunfällen in Tschernobyl, Fukushima oder Three Mile Island führt jedoch in die Irre. Selbst wenn die Bombentreffer auf die Anreicherungs- und Verarbeitungsgebäude im Iran strahlende Stoffe freisetzten, ist nicht die Strahlung die größte Gefahr, sondern dass die entstehenden Substanzen sehr giftig sind. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Angriffe auf den Iran zwar Gebäude mit radioaktivem Material darin zerstörten oder beschädigten – allerdings keine laufenden Reaktoren. Und erst die Kernspaltung erzeugt die hochradioaktiven Isotope von Plutonium, Jod und Cäsium, die einen Reaktorunfall so gefährlich machen.
Das Uran, das in den Anlagen von Natanz, Fordow und Isfahan verarbeitet wird, ist ebenfalls radioaktiv – aber die Strahlung und damit die von dem Material ausgehende Gefahr, ist weit geringer. Wie viel geringer, kann man anhand der Halbwertzeit der Isotope ungefähr einschätzen. Je kürzer diese ist, desto schneller zerfallen die Atome und um so mehr Strahlung setzt der Stoff in einer bestimmten Zeitspanne frei.
Radioaktiv ist nicht gleich radioaktiv
Plutonium-230 zum Beispiel, ein stark strahlendes Nebenprodukt der Kernspaltung, hat eine Halbwertzeit von 24 000 Jahren. Das noch gefährlichere Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit von rund 30 Jahren, bei Jod-131 dauert es sogar nur acht Tage, bis die Hälfte der Atome ihre Strahlung abgegeben hat. Bei Uran-235 dagegen dauert es rund 700 Millionen Jahre, bis die Hälfte der Atome zerfallen ist, bei Uran-238 sogar 4,5 Milliarden Jahre – etwa das Alter der Erde. Entsprechend strahlen die Materialien in den iranischen Atomanlagen um viele Größenordnungen schwächer als die Produkte einer nuklearen Kettenreaktion in einem Kraftwerk.
Von dieser Strahlung geht vor allem dann eine Gefahr aus, wenn das Element an Staubteilchen gebunden ist und in größeren Mengen eingeatmet wird. Uran und seine Zerfallsprodukte sind Alpha-Strahler, sie geben Heliumkerne aus zwei Protonen und zwei Neutronen ab. Ihre Durchschlagskraft ist so gering, dass unsere Kleidung oder die oberste Hautschicht aus toten Zellen sie abfängt. Gelangt das Uran jedoch in die Lunge, kann die Strahlung über längere Zeit direkt auf lebende Zellen einwirken und sie schädigen.
Das betrifft vor allem das Forschungszentrum Isfahan, das sowohl von den USA als auch von Israel angegriffen wurde. An diesem Standort wandelt der Iran das Uranerz chemisch in die verschiedenen benötigten Formen um, darunter schwach angereichertes Urandioxid für die Brennstäbe eines Forschungsreaktors, das als »Yellowcake« bezeichnete Uranoxid U3O8 sowie metallisches Uran, das sehr gut brennbar ist. Bei einem Bombentreffer würden diese Stoffe radioaktive Stäube produzieren, die eine Gesundheitsgefahr darstellen. Fachleute sehen jedoch nur eine Gefahr im direkten Umfeld, da die Stoffe in unterirdischen Bunkern lagern und laut Berichten keine erkennbare Mengen Radioaktivität freigesetzt wurden.
Am gefährlichsten ist Fluorwasserstoff
Etwas anders ist die Situation beim gasförmigen Uranhexafluorid (UF6) – jenes Molekül, das in den Gaszentrifugen der Anlagen in Fordo und Natanz verarbeitet wird, um das waffenfähige Uran-235 immer weiter anzureichern. Dieses Gas ist weniger wegen der Strahlung ein Problem, sondern vielmehr wegen seinen chemischen Eigenschaften. Uran ist ein giftiges Schwermetall und hexavalente Uranverbindungen, in denen das Metall sechs Bindungen ausbildet, sind besser wasserlöslich als die Uranoxide. Dadurch sind sie deutlich giftiger.
Die größte Gefahr allerdings geht von den Abbauprodukten aus, die entstehen, wenn Uranhexafluorid mit Luftfeuchtigkeit in Kontakt kommt. Dabei bildet sich einerseits Uranylfluorid (UO2F2), eine der giftigsten bekannte Uranverbindungen, und andererseits das hochgiftige und ätzende Fluorwasserstoffgas, eine der unerfreulichsten Chemikalien überhaupt. Bei einem Bombentreffer auf die Anreicherungsanlagen ist dieses Gas die bei Weitem größte Gefahr.
Insgesamt sind die Bombenangriffe auf die Anreicherungsanlagen des iranischen Atomwaffenprogramms in etwa vergleichbar mit Bombardierungen anderer industrieller Infrastruktur, bei denen verschiedene Gefahrenstoffe lokal in die Umwelt oder die Atmosphäre gelangen. Die potenziell freigesetzte Radioaktivität ist wegen der relativ geringen Stoffmengen und der niedrigen Aktivität der Uranisotope überschaubar. Dagegen geht von der hohen Giftigkeit des Uranhexafluorids und seiner Abbauprodukte eine ganz erhebliche, aber vorübergehende Gefahr aus.
Das bedeutet nicht, dass Bombenangriffe auf die iranische Atominfrastruktur grundsätzlich harmlos sind. Denn in dem Land gibt es auch Atomreaktoren in laufendem Betrieb – so zum Beispiel im schwer getroffenen Forschungszentrum Isfahan. Laut Berichten wurden ebenfalls Gebäude im Umfeld von Reaktoren in Teheran und Buschehr bombardiert. Neben den Reaktoren selbst enthalten Infrastruktureinrichtungen wie Abklingbecken für Brennstäbe große Mengen stark radioaktiver Materialien, wie sie für die Rückstände der nuklearen Kettenreaktion typisch sind. Sollten Bomben auf solche Einrichtungen fallen, wären die Folgen ungleich dramatischer.
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