Dunkle Energie: Größtes Mysterium der Kosmologie könnte ein Trugbild sein

Vor der Jahrtausendwende war vieles einfacher! Das glaubt man leicht und stellt dann bei einem genaueren Blick fest, dass eigentlich schon damals viele Dinge ziemlich kompliziert waren. Man hatte davon bloß noch keine Ahnung. Die Rede ist natürlich vom Universum.
In den 1990er Jahren schien die Sache klar und das Schicksal des Weltraums besiegelt: Zwar dehnt sich das All seit dem Urknall aus, aber irgendwann müsse damit Schluss sein, denn alle Materie zieht sich gegenseitig an. Doch 1998 stellten Astronomen das Gegenteil fest – der Kosmos expandiert immer schneller! Das sorgte für eine Revolution in der theoretischen Astrophysik. Bislang kann niemand das Phänomen erklären.
Mit neuen Beobachtungsdaten mehren sich inzwischen Zweifel. Stecken hinter dem Effekt womöglich falsche Grundannahmen über die Struktur des Universums? Das größte Mysterium der modernen Kosmologie könnte nur eine Illusion sein, ein Artefakt tendenziöser Messungen. Vielleicht ist doch alles einfacher – oder zumindest ganz anders als gedacht. In diesem Fall müsste die Geschichte des Weltalls neu geschrieben werden. Schon wieder.
Bereits das 20. Jahrhundert brachte revolutionäre Einsichten. Zuvor wusste man kaum etwas darüber, was sich jenseits der Sterne und des Staubs unserer Milchstraße befindet. Dann stellte sich heraus, dass das Universum mehr enthält, viel mehr – es ist von etlichen unterschiedlichen Galaxien erfüllt. Außerdem bewegen sich fast alle von uns weg. Und nicht nur sie von uns, auch der Abstand zwischen den einzelnen Galaxien wächst. Das heißt, so gut wie alles scheint sich voneinander zu entfernen. Wir sind nur ein Floß aus Sternen inmitten eines gigantischen, wachsenden Ozeans.
Als das klar wurde, lag eine Frage nahe: Was passiert, wenn man die Zeit in Gedanken rückwärts abspult? Sollte dann in der tiefen Vergangenheit des Kosmos nicht sämtliche Materie zusammenlaufen – auf einen einzelnen Punkt? Hier müsste das All entstanden sein. Solche Überlegungen führten bald zur Theorie des Urknalls. Laut diesem Bild gingen zum Anbeginn der Zeit sämtliche Energie und Materie, aus denen sich viel später Sterne und Galaxien bildeten, von einem einzigen, unfassbar dichten Punkt aus und schossen dann schlagartig auseinander.
Für diese kühne Hypothese lieferten Experimente in den 1960er Jahren den Beweis. Überall am Himmel zeigt sich bis heute ein schwaches Nachleuchten aus der heißen Entstehungszeit des Kosmos, der sogenannte Mikrowellenhintergrund. Seine Eigenschaften passten perfekt zur Vorstellung eines Urknalls.
Das ultimative Schicksal von allem
Wenn wir von heute aus in die Zukunft blicken, was geschieht dann mit dem Kosmos? Wird alles immer weiter auseinanderfliegen? Dagegen spricht eine zentrale physikalische Erkenntnis, die schon Isaac Newton im 17. Jahrhundert hatte: Massen ziehen sich an. Das gilt sogar über zahllose Galaxien hinweg, denn die Wirkung der Gravitation reicht unendlich weit. Im Lauf von Milliarden von Jahren sollte die gegenseitige Anziehungskraft der Galaxien die Ausdehnung des Weltraums allmählich abbremsen. Irgendwann würde die Expansion langsamer werden – und sich danach vielleicht sogar wieder umkehren. Das Universum würde kollabieren.
Die nächste Revolution des kosmologischen Weltbilds kam, als zwei konkurrierende Forschungsteams diesen Effekt im Jahr 1998 präzise vermessen wollten. Sie beobachteten dazu das Licht explodierender Sterne, das über große Distanzen sichtbar ist und dessen Leuchtkraft man genau kennt. Mithilfe dieser Supernovae fanden beide Gruppen einen genau gegenteiligen Effekt: Alles fliegt mit der Zeit immer schneller voneinander weg. Die Ausdehnung verlangsamt sich nicht, sie beschleunigt sich!
Auch noch ein gutes Vierteljahrhundert später ist die Ursache für dieses Phänomen völlig unklar. Wegen ihres geheimnisvollen Charakters heißt sie Dunkle Energie. Laut dem Standardmodell der Kosmologie sollte sie sogar den übergroßen Teil der Energie im Universum ausmachen. Es könnte sich dabei um so etwas wie eine Energie des leeren Raums handeln, irgendetwas, was alles erfüllt, aber auf kleinen Skalen nicht zu spüren ist und sich nur auf großen aufsummiert und dort umso wirkmächtiger wird. Das ist bisher alles Spekulation. Zahlreiche Forschungsprojekte haben sich der Aufgabe verschrieben, das Wesen dieser Dunklen Energie zu entschlüsseln. Und nun scheinen manche Daten darauf hinzudeuten, dass dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt ist und wir unser Bild vom Universum erneut revidieren müssen.
Die kosmischen Kartenmacher
Aufwändige Messkampagnen kartieren immer präziser die Positionen von Millionen von Galaxien über Milliarden von Lichtjahren. So verstehen wir mehr von den Strukturen und der Dynamik der kosmischen Materie. Empfindliche Teleskope und spezialisierte Satelliten erfassen inzwischen sogar das schwache Glimmen der ältesten Galaxien. Das bringt Einblicke in die Entwicklung des Alls, von seiner Frühzeit bis heute, 13,8 Milliarden Jahre später. Ein Wechselspiel von Messdaten und Theorie, ein ständiger Abgleich von Beobachtungen und Simulationen hat ausgefeilte Modelle entstehen lassen. Sie beschreiben, wie die Dunkle Energie zu jeder Zeit in der Geschichte des Universums dessen Entwicklung beeinflusst hat.
Was, wenn einige der Grundannahmen der modernen Kosmologie falsch sind und die Dunkle Energie lediglich ein Trugbild ist?
Das alles geschieht, ohne dass irgendjemand genau weiß, was Dunkle Energie eigentlich genau ist. Wir können nur ihre Auswirkungen messen. Obwohl sie inzwischen fest in den Modellen des Kosmos verankert ist, werden kritische Stimmen lauter: Was, wenn es die Dunkle Energie gar nicht gibt? Was, wenn Grundannahmen der modernen Kosmologie falsch sind und die Dunkle Energie lediglich ein Trugbild ist?
Alternative Hypothesen stützen sich ausgerechnet auf die neuen, umfangreichen Beobachtungskampagnen, die eigentlich Erkenntnisse zur Dunklen Energie bringen sollen. Den Kartierungen zufolge könnte unser Universum nämlich klumpiger sein als gedacht. Es wäre inhomogen, das heißt, die Materie wäre selbst über die größten Skalen hinweg nicht gleichmäßig verteilt.
Der zentrale Gedanke beim Versuch, die Dunkle Energie vom Theoriegebäude zu stürzen, ist die Erkenntnis, dass sich in einem inhomogenen Kosmos der Einfluss der einzelnen Strukturen nie wirklich herausmittelt. Die Ungleichverteilungen würden sich deswegen subtil auf das auswirken, was wir sehen, und quasi ein physikalisches Trugbild erzeugen. Weit entfernte Galaxien bewegten sich nur scheinbar immer schneller weg. In Wirklichkeit wäre dieser Eindruck eine Illusion, weil wir von falschen Voraussetzungen ausgehen.
Wenn das Weltall Klumpen bildet
Aktuell fußt das Standardmodell der Kosmologie auf zwei Grundannahmen, nämlich dass das Universum erstens homogen und zweitens isotrop ist. Das heißt, dass es an jeder Stelle und in jeder Richtung ähnlich aussieht. Egal, wo man sich im Kosmos befindet, und ganz gleich, wohin man schaut, im Großen und Ganzen sieht man immer dasselbe.
Auf Basis dieser theoretischen Voraussetzungen legen die Beobachtungsdaten eine mysteriöse beschleunigte Ausdehnung nahe, die von der Dunklen Energie angetrieben wird. Wenn aber eine Grundannahme falsch ist, wenn es also einen Unterschied macht, von wo aus oder wohin man ins All blickt, dann lassen sich die Daten möglicherweise auch ohne Dunkle Energie erklären.
Ein aktuell besonders viel diskutiertes Beispiel für eine alternative Erklärung ist das »Timescape«-Modell. Ursprünglich hat es der neuseeländische Theoretiker David Wiltshire von der University of Canterbury in Christchurch im Jahr 2007 vorgestellt. Die Kernaussage stützt sich auf das sogenannte Äquivalenzprinzip, eine Grundlage für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie.
Laut dem Äquivalenzprinzip ist es unmöglich, zwischen zwei Effekten zu unterscheiden: einerseits Gravitation, das heißt der Wirkung von Masse, und andererseits Trägheit, also dem Effekt von Beschleunigungen. Angenommen, man wacht nach einer langen Bewusstlosigkeit plötzlich in einer fensterlosen Kabine auf. Dann kann man wegen des Äquivalenzprinzips auf keine Weise herausfinden, ob man sich noch auf unserem Planeten befindet und die Erdanziehung spürt – oder ob man von Außerirdischen entführt und in ein Raumschiff gesperrt wurde, das in der Schwerelosigkeit des Weltalls gleichmäßig beschleunigt.
So, wie der Gefangene im Alien-Raumschiff eine Beschleunigung spürt und sie für die Wirkung einer Masse halten könnte, würden wir im Timescape-Modell eine Massenverteilung im Weltraum wahrnehmen und sie fälschlicherweise für eine Beschleunigung halten, nämlich für diejenige durch eine Dunkle Energie. Das liegt am Äquivalenzprinzip sowie daran, dass wir falsche Grundannahmen darüber treffen, wo wir uns befinden und was wir sehen.
Timescape: Eine Landschaft, in der die Zeit anders verläuft
Denn Gravitation wirkt sich darauf aus, wie die Zeit vergeht; deshalb ticken Uhren in der Nähe großer Massen langsamer. In der Umgebung von Galaxien ist die Schwerkraft relativ stark. Hier, in den Filamenten aus zusammengeballten Galaxien, die sich wie ein dünnes Netzwerk durch den Kosmos spannen, vergeht die Zeit nicht so schnell wie in den enorm großen Hohlräumen dazwischen, den sogenannten Voids. Über Jahrmilliarden summieren sich diese Unterschiede auf. Dadurch ist in verschiedenen Bereichen des Universums seit dem Urknall verschieden viel Zeit vergangen.
Letztlich wirkt es bei unseren Beobachtungen auf uns, als würde der Kosmos beschleunigt expandieren. Regionen mit schwächerer Gravitation erscheinen so, als würden sie sich schneller ausdehnen. Wegen dieses Effekts hätten zum Beispiel die im Jahr 1998 vermessenen Supernovae, die zur Entdeckung der Dunklen Energie führten, weiter weg gewirkt, als sie tatsächlich waren. Aber eigentlich wäre das laut dem Timescape-Modell alles nur eine Konsequenz der inhomogen verteilten Massen im Universum. Die Dunkle Energie wäre somit eine Illusion. Wir wären Gefangene in einer dunklen Kabine, die eine Beschleunigung registrieren, weil wir die eigentlichen ursächlichen Strukturen nicht erkennen. Aber es gibt Hoffnung darauf, Licht in die Sache zu bringen.
Ein wissenschaftliches Modell ist nur nützlich, wenn es überprüfbare Vorhersagen macht. Dann kann man anhand von Daten entscheiden, wozu die Daten besser passen: zu einer neuen Hypothese oder zur etablierten Theorie. Beim Standardmodell ist die beschleunigte Ausdehnung überall im Kosmos gleichförmig. Bei Timescape ist sie je nach Ort verschieden. Das sollte sich messen lassen.
Deswegen zog die Timescape-Theorie zu Beginn des Jahres 2025 erneut Aufmerksamkeit auf sich. Zum Jahreswechsel erschienen Auswertungen von mehr als 1500 Supernova-Beobachtungen, laut denen die Daten etwas besser zu den Timescape-Vorhersagen passen. Das Forschungsteam um Antonia Seifert vom Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg, zu dem auch David Wiltshire gehörte, schrieb in seiner Veröffentlichung von »sehr starken Belegen zugunsten Timescape« gegenüber dem Standardmodell. Es gäbe somit einen »Bedarf, die Grundlagen der theoretischen Kosmologie zu überdenken«.
Nur ein Teil des Gesamtbilds
Aber dieser Befund reicht noch lange nicht als schlagender Beweis aus. So stellten andere Fachleute bei eigenen Auswertungen fest, dass die Timescape-Theorie je nach Datensatz und Methodik gegenüber anderen Modellen nicht überlegen sei. Außerdem muss eine gute alternative Hypothese nicht nur neue Vorhersagen in einem Bereich machen – sie muss außerdem sämtliche übrigen Beobachtungen stimmig erklären.
Das Universum müsste viel inhomogener und anders zusammengesetzt sein, als wir heute wissen
Hier offenbart das Timescape-Modell Schwächen. Vor allem müsste das Universum viel inhomogener und anders zusammengesetzt sein, als wir heute wissen. Beispielsweise erkennt man im kosmischen Mikrowellenhintergrund, der in den 1960er Jahren das Urknallmodell bestätigte und der seitdem immer präziser vermessen wurde, kleine Dichtefluktuationen aus dem sehr frühen Universum. Aus diesen formten sich im Lauf von Jahrmilliarden die Materiestrukturen, die wir heute sehen. Doch diese ursprünglichen Schwankungen sind sehr gering und erklären keine derart große Inhomogenität im Lauf der kosmischen Entwicklung, wie sie bei Timescape nötig wäre. Auch Beobachtungen im heutigen Universum zeigen bisher ein sehr homogenes Bild.
Die Auswertung von Seiferts Arbeitsgruppe basierte lediglich auf Supernovae. Es gibt aber viel mehr unabhängige Phänomene über etliche Skalen und Entfernungen. Diese haben bislang die Annahme gestützt, dass es die Dunkle Energie gibt. Selbst, wenn man alle Supernova-Daten über Bord werfen würde, würden die übrigen Befunde die etablierte Dunkle Energie noch rechtfertigen. Für eine ernsthafte Konkurrenz durch Timescape bräuchte es also neue, bessere Beobachtungen und vor allem solche, die das bisherige Bild auf mehreren Ebenen untergraben.
Wenn das Timescape-Modell allerdings stimmt, müssten wir die Kosmologie völlig neu denken. Dann wäre es plötzlich unnötig zu verstehen, was Dunkle Energie ist – weil es sie gar nicht gibt. Stattdessen würde sich die Forschung auf andere Aspekte konzentrieren, zum Beispiel nachzuvollziehen, wie sich die Inhomogenitäten im Universum genau auswirken.
Alle Augen auf neuen Daten
In den vergangenen Jahren starteten Fachleute aufwändige Programme, mit denen sie den Himmel systematisch durchmustern. Das Ziel: eine umfassende, dreidimensionale Karte aller Strukturen, bis hinein in die tiefsten, gerade noch sichtbaren Weiten des Alls. Sie soll dabei helfen, eine Erklärung für die Dunkle Energie zu finden. Eines dieser ambitionierten Projekte ist das Dark Energy Spectroscopic Instrument (DESI). Bis zum Jahr 2026 soll es Daten von rund 40 Millionen Galaxien sammeln. Zwischenergebnisse sorgten bereits für Wirbel: Es scheint, als würde die Dunkle Energie im Lauf der Zeit schwanken. Doch die Befunde sind noch unsicher.
Falls sich die Dunkle Energie wirklich mit der Zeit verändert, würde das nicht zum Standardmodell passen, laut dem die Dunkle Energie eine Konstante in Einsteins Gleichungen ist. Manche alternative Ideen erklären eine veränderliche Dunkle Energie mit exotischen neuen Kräften oder Raumdimensionen. Weitere Ansätze führen solche Phänomene auf bekannte Objekte zurück, etwa Schwarze Löcher. Diese ultrakompakten Gebilde bleiben unter anderem als Überreste explodierender Sterne zurück und stecken in enorm massereicher Form im Kern jeder Galaxie.
In einer im August 2025 erschienenen Veröffentlichung spekuliert eine Forschungsgruppe auf Basis von DESI-Daten, die Dunkle Energie könnte ebenso aus Supernovae hervorgehen. Beim Kollaps eines massereichen Sterns entsteht ein Schwarzes Loch mit extremen physikalischen Bedingungen in seinem Inneren. Der Forschungsgruppe zufolge wird hier gewöhnliche Materie zu Dunkler Energie umgewandelt. Wie jeder hypothetische Mechanismus hinter der Dunklen Energie ist auch dieser bislang höchst spekulativ.
Je nachdem, welche Alternative zur Dunklen Energie des Standardmodells man bevorzugt, könnte die eine oder andere noch weitere Ungereimtheiten in unserem Bild des Kosmos beseitigen. Da wäre die hartnäckige Hubble-Spannung: Die Expansionsrate in unserer näheren, kosmologisch jüngeren Umgebung scheint eine andere zu sein als im fernen, frühen Universum. Und der Effekt verschwindet mit besseren Messungen nicht etwa, vielmehr verfestigte sich diese Diskrepanz in den vergangenen Jahren sogar eher.
Auf die Liste von Ungereimtheiten kommt auch die vorläufige Erkenntnis, dass einzelne Strukturen auf extrem großen Skalen nicht gut zum Standardmodell zu passen scheinen – aus statistischer Sicht wären solche Ausreißer nicht zu erwarten. Hier könnte das kosmologische Prinzip verletzt sein. Oder aber es handelt sich einfach um Zufall.
Im Fall der Hubble-Spannung könnten Inhomogenitäten im Universum bei einer Lösung helfen. Sie würden unsere irdische Beobachtungsposition gegenüber anderen Stellen auszeichnen; dann wäre eine abweichende Expansionsrate keine Überraschung mehr. Ebenso gäbe es eine verführerisch einfache Erklärung im Rahmen des Modells, bei dem das Wachstum der Dunklen Energie an die Entstehung Schwarzer Löcher gekoppelt wäre. Schließlich sind in verschiedenen Zeiträumen in der Geschichte des Universums unterschiedlich viele Sterne explodiert.
Zu diesen beiden Ansätzen für die Dunkle Energie kommen etliche weitere. Dazu gehören alternative Schwerkrafttheorien wie die »massive Gravitation« oder andere radikal vom Standardmodell abweichende Sichtweisen auf die Gravitation. Es könnte sich bei der Dunklen Energie auch um ein Feld handeln, im Rahmen dieser Hypothese Quintessenz genannt, das den gesamten Weltraum durchzieht und mit Materie wechselwirkt – im Prinzip wie das Higgs-Feld, das den Elementarteilchen Masse verleiht. Nur dass die Quintessenz einen gegenteiligen Effekt hätte und der Anziehung der Gravitation entgegenwirken würde. Erneut: alles Spekulation.
Beobachtungskampagnen liefern ein vollständigeres Bild von den Strukturen und der Dynamik des Kosmos
Wie also finden wir eine Antwort auf die Frage, ob es die Dunkle Energie überhaupt gibt, wie sie sich verhält und was ihre Ursache sein könnte? Die Hoffnung liegt auf Beobachtungskampagnen, die ein vollständigeres Bild von den Strukturen und der Dynamik des Kosmos liefern. Neben DESI sollen solche Daten beispielsweise vom europäischen Weltraumteleskop Euclid kommen, das im Jahr 2023 gestartet ist und dessen Mission bis 2030 läuft. Auf der Erde beginnt gerade die Arbeit des Vera-Rubin-Observatoriums, das einen riesigen Bereich des Himmels abscannen kann. Die NASA baut das Nancy-Grace-Roman-Weltraumteleskop, um gezielt die Dunkle Energie zu untersuchen – falls es trotz radikaler Budgetkürzungen wie geplant 2027 abheben kann.
Gerade werden die größten Strukturen des Kosmos so detailliert und weitreichend vermessen wie noch nie. Ein Vierteljahrhundert nach der Entdeckung der Dunklen Energie stehen die Chancen besser als je zuvor, ihre Geheimnisse zu entschlüsseln. Oder aber festzustellen, dass die Kosmologie ein Phantom gejagt hat und eine Revolution des astronomischen Weltbilds nötig ist. Es wäre nicht das erste Mal.
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