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News: Je heller, desto kürzer

Dass sich Materialien ausdehnen oder zusammenziehen, wenn man sie erhitzt, ist ein alter Hut. Auch elektrisch und magnetisch konnten Wissenschaftler schon so manchen Stoff dazu anregen, seine Form zu ändern. Nun ist es Wissenschaftlern aber auch gelungen, ein Polymer herzustellen, das auf Licht reagiert und sich zusammenzieht.
Wer kennt das nicht? Da hat jemand die Sprudelflasche im Eisfach vergessen, und die Sauerei ist groß. Denn Wasser dehnt sich aus, wenn es unterhalb von vier Grad Celsius abgekühlt wird und zu Eis erstarrt. Irgendwann hält die Glasflasche eben dem Druck von Innen nicht mehr stand. Hingegen ziehen sich viele andere Materialien, Metalle zum Beispiel, zusammen, wenn es kalt wird und erst, wenn die Temperatur wieder ansteigt, strecken sie sich wieder aus – ein Effekt den Ingenieure beim Bau von Brücken, Rohrleitungen und Tanks beachten müssen.

Neben der Temperatur kann auch ein elektrisches oder magnetisches Feld dafür sorgen, dass ein Material seine Form ändert. Im ersten Fall spricht man von Elektrostriktion, im zweiten entsprechend von Magnetostriktion. In beiden Fällen kommt es zu Umordnungen in der Kristallstruktur des jeweiligen Materials – ein winziger Effekt, der sich erst in Summe äußerlich bemerkbar macht.

Wärme, elektrischer Strom und magnetisches Feld – ist das alles? Offensichtlich nicht, denn nun haben Chemiker an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ein gummiähnliches Material hergestellt, das sich bei Helligkeit zusammenzieht und im Dunkeln wieder ausdehnt. Dabei handelt es sich keineswegs um Zauberei, sondern vielmehr um eine geschickt ausgenutzte Eigenschaft mancher lichtempfindlicher Moleküle.

So besteht das Ausgangsmaterial von Heino Finkelmann und seinen Kollegen aus einer Lösung langgestreckter Polymerketten, an denen wiederum weitere stabähnliche Moleküle baumeln. Die einzelnen Polymerstränge lassen sich nun durch Hinzugabe so genannter crosslinker zusammenketten, sodass eine zähe Masse entsteht. Wenn man diese nun auseinander zieht, dann richten sich die Anhängsel in gleiche Richtung aus. Weitere crosslinker stellen schließlich sicher, dass das Material anschließend auch seine Form ohne äußere Spannung behält. Auf diese Weise entstehen so genannte nematische Elastomere – gummiartige Verbindungen mit ausgerichteten stabförmigen Molekülen, die eine Zwischenstellung zwischen Flüssigkeit und Festkörper einnehmen.

Der Trick von Finkelmann und seinen Kollegen war nun, ein lichtempfindliches Element als crosslinker einzubauen. Zwar wurden solche Moleküle, die unter Licht ihre chemische Bindungen umgruppieren, schon früher zusammen mit Elastomeren verwendet, allerdings nutzte man die Eigenschaft ausschließlich dazu, Licht auf gewünschte Art und Weise zu beugen.

Treffen nun Photonen auf die lichtempfindlichen Moleküle, so verbiegen diese. Somit verbleiben auch die ausgestreckten Anhängsel der Polymerketten nicht in ihrer wohl geordneten Stuktur, und das Material zieht sich zusammen. Dabei ist der Vorgang reversibel und das Material dehnt sich wieder, wenn es dunkel wird. Ähnliches kann man auch beobachten, wenn man vorsichtig eine Plastiktüte fönt. Hier ist jedoch Wärme die Ursache dafür, dass sich die Anhängsel umordnen und sich der Kunststoff entlang der gestreckten Richtung zusammenzieht.

Die Freiburger Chemiker stellten fest, dass ihr Material bis zu einem Viertel seiner Länge verliert und gleichzeitig an Dicke gewinnt. "Man sieht einen deutlichen Effekt, wie er bei keinem anderen Material zu beobachten ist", äußert sich Finkelmann. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich andere Elastomere bis zu 400 Prozent verformen können. Allerdings ist der Prozess noch recht langsam. Es dauert schon einige zehn Minuten bis das Material seine endgültige Form angenommen hat.

Sollte sich die Reaktionszeit der Polymere weiter verkürzen lassen, so ließen sich mit ihnen optische Schalter für künftige Computern schaffen. Auch Linsen, die je nach Lichtstärke ihre Brennweite ändern, wären denkbar. Bana Ratna vom Naval Research Laboratory in Washington schlägt vor, die lichtempfindlichen Moleküle nicht als crosslinker, sondern als Anhängsel zu verwenden, auf diese Weise sollte der Prozess wesentlich schneller ablaufen.

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