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News: Je länger, desto heller

Zwar führen bei Flachbildschirmen und Digitalanzeigen die Flüssigkristall-Displays unangefochten das Feld an, doch sind bereits erste Anzeigen auf Basis organischer Leuchtdioden erhältlich. Aufgrund gewisser technischer Vorzüge und einer vergleichsweise günstigen Produktion wird sich ihr Anteil in Zukunft sicherlich erhöhen. Vielleicht trägt dazu auch die neuste Entdeckung bei: Denn offenbar emittieren lange Polymere mehr Licht als kurze.
Eine ganze Reihe von Polymeren vermag Licht zu emittieren, wenn über ihnen eine Spannung angelegt wird. Dies verdanken die Moleküle ihrer konjugierten Doppelbindung, bei der sich Doppel- und Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen des Gerüsts abwechseln. Doch sind die Elektronen in diesen Bindungen ohnehin nicht mehr fest einem Atompaar zugeordnet, vielmehr erstreckt sich ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeit über das ganze Molekül.

Das führt dazu, dass sich zwei so genannte Molekülorbitale bilden, wobei das eine energetisch etwas höher liegt als das andere. Damit entspricht die elektronische Struktur eines solchen Polymers einem Halbleiter. Hierbei übernimmt das untere Molekülorbital die Funktion des Valenzbandes, das fast komplett mit Elektronen besetzt ist; das obere kommt dem Leitungsband gleich, das nahezu leer ist.

Genau wie im Halbleiter können auch im Polymer, beispielsweise durch elektrische Anregung, Elektronen-Loch-Paare entstehen, das heißt, inmitten des vollen Valenzband fehlt ein Elektron – ein Loch also, das als positiver Ladungsträger umhervagabundiert. Genauso durchstreifen einzelne Elektronen die Leere des Leitungsband. Solche Löcher und Elektronen können eine Partnerschaft eingehen und gemeinsam ein neutrales Teilchen bilden – das Exziton.

Doch ist das Exziton kein sonderlich langlebiges Teilchen, handelt es sich doch um einen angeregten Zustand im Elektronensystem, der bei Gelegenheit wieder in den Grundzustand übergehen möchte. Das passiert, wenn das Elektron im Leitungsband ins Valenzband fällt und das dortige Loch ausfüllt. Die Energie, die das Elektron bei diesem Fall verliert, wird in der Regel als Licht frei – doch leider nicht immer.

Als wenn das alles nicht schon kompliziert genug wäre, müssen die richtigen Elektronen-Loch-Paare zusammenfinden – so genannte Singulett-Exzitonen. In solchen Exzitonen paaren sich Elektron und Loch gerade so, dass sich ihre Spins zu Null ergänzen, also der Spin des einen Teilchens gerade nach oben zeigt, der des anderen nach unten. Mathematisch ausgedrückt ist das einmal Spin +1/2 und einmal -1/2, macht also in Summe Null. Die andere Möglichkeit, nämlich die, bei der die Spins der Teilchen in gleiche Richtung weisen, sich also zu eins ergänzen, emittiert kein Licht – man spricht hierbei auch von Triplett-Exzitonen.

Das heißt also, dass mehr Singulett-Exzitonen auch eine höhere Lichtausbeute versprechen. Dummerweise kommen theoretisch auf ein Singulett gerade drei Triplett-Zustände, was die Ausbeute auf 25 Prozent beschränkt – das dachten Physiker zumindest solange, bis es ihnen in einigen Experimenten gelang, die Ausbeute auf 63 Prozent zu anzuheben.

Um dieses unerwartete Ergebnis zu verstehen, untersuchte Markus Wohlgenannt von University of Iowa zusammen mit Kollegen der University of Utah in Salt Lake City und der Eindhoven University of Technology systematisch die Anteile von Singulett- und Triplett-Exzitonen in Polymeren unterschiedlicher Länge. Die Zahl der Polymer-Grundbausteine variierte dabei von einigen wenigen bis zu einigen hundert Monomeren.

Das Ergebnis der Untersuchung war überraschend: Lange Polymerketten erzeugen mehr Singulett-Exzitonen als kurze, ungeachtet der Form des Moleküls. Zwar ließen frühere Arbeiten schon ein solches Verhalten erahnen, aber René Janssen aus Eindhoven war dennoch überrascht über das klare Ergebnis: "Insbesondere die Tatsache, das Polymere unterschiedlicher chemischer Natur auf der gleichen Messkurve liegen, ist schon sehr erstaunlich."

Valy Vardeny von der Gruppe in Salt Lake City und seine Kollegen spekulieren, dass dieses Verhalten auf den wellenartigen Charakter der Exzitonen zurückzuführen sei. So breitet sich die Wellenfunktion, die den Aufenthaltsort der Singulett-Exzitonen beschreibt, über das ganze Molekül aus, während die Triplett-Exzitonen sehr lokalisiert sind. In kleinen Molekülen würde sich so kein großer Unterschied zwischen Singulett und Triplett ergeben. In großen Molekülen sähe die Welt jedoch anders aus, und die Singulett-Exzitonen könnten ihren Vorteil ausspielen, sich über das ganze Molekül auszubreiten.

Ob das jedoch tatsächlich der Grund für die hohe Ausbeute an Singulett-Exzitonen ist, und welche Feinheiten sich noch bei einer eingehenderen Betrachtung ergeben, das müssen die Forscher erst noch klären. Doch ihre Entdeckung hat schon jetzt experimentelle Bedeutung, denn mit ihr lassen sich vielleicht organische Leuchtdioden schaffen, deren Effizienz deutlich über den bisher erhältlichen Exemplaren liegt – jenseits der angenommenen theoretischen Grenze.

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