Extremwetter: Jetstream-Blockaden haben sich verdreifacht

Ein atmosphärisches Muster, das in Europa für lang anhaltende, oft extreme Wetterlagen sorgt, ist heute durch den Klimawandel dreimal so häufig wie noch Mitte des 20. Jahrhunderts. Große ortsfeste Schleifen des Jetstreams, entstanden durch quasiresonante Verstärkung planetarer Wellen, traten um 1950 im Mittel einmal im Sommer auf, heute beobachtet man durchschnittlich drei solche blockierte Jetstream-Muster. Das geht aus einer Veröffentlichung hervor, die ein Team um die Geografin Xueke Li von der University of Pennsylvania nun in der Fachzeitschrift »PNAS« publiziert hat. Die Arbeitsgruppe nutzte dazu Reanalysen von Wetterdaten seit dem Jahr 1950, aus denen sie nach bestimmten Kriterien Episoden solcher quasiresonanten Verstärkungen identifizierte. Das Resultat erklärt, weshalb Extremwetterereignisse wie Hitzewellen stärker zugenommen haben als erwartet: Klimamodelle bilden solche Jetstream-Blockaden nur unzureichend ab. Demnach werden Hitze, Trockenheit und Starkregen auch in Zukunft überproportional stark ansteigen.
Bei der 2013 erstmals beschriebenen quasiresonanten Verstärkung wechselwirken atmosphärische Wellen mit Wellenlängen um 1000 Kilometer mit den planetarischen Rossby-Wellen, die den Polarfront-Jetstream Kurven schlagen lassen. Durch die Resonanz werden die Kurven sehr groß und dehnen sich weit nach Norden und Süden aus. Vor allem aber bewegen sie sich normalerweise von West nach Ost. Doch bei der richtigen Wellenlänge, meist wenn der Jetstream sechs, sieben oder acht Schlaufen hat, bewegt sich das Muster kaum noch: Der Jetstream ist blockiert. In den nach Norden gerichteten Schlaufen herrscht dann für lange Zeit sonniges Wetter, außerdem strömt heiße Luft aus den Subtropen heran. Dagegen fällt in den nach Süden gerichteten Schlaufen oft ergiebiger Regen. Da diese Situation lange anhalten kann, summieren sich Hitze oder Regen jeweils zu ungewöhnlich extremen Wetterlagen.
Fachleute vermuten schon seit Jahren, dass der Klimawandel solche blockierten Lagen begünstigt. Wie stark der Effekt ist, lässt sich allerdings schwer beziffern, denn neben der Erwärmung beeinflussen auch natürliche Schwankungen und Wechselwirkungen wie der El-Niño-Zyklus das Verhalten atmosphärischer Wellen. Zusätzlich wirkt sich der Klimawandel auch gegenläufig auf den Jetstream aus: Einerseits legen Studien nahe, dass wärmere Sommer in der Arktis den Jetstream schwächen und nach Süden verschieben, andererseits gibt es Hinweise darauf, dass wärmere Tropen den entgegengesetzten Effekt haben. Zusätzlich beeinflussen menschengemachte Aerosole die atmosphärische Zirkulation.
Neben der Zunahme von blockierten Jetstream-Mustern selbst legt die Analyse des Teams um Li zwei direkte Verbindungen zum Klimawandel nahe. Zum einen nämlich deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die wärmere Arktis das Jetstream-Band schmaler macht und so die Entstehung einer stabilen stehenden Welle begünstigt. Zum anderen scheint die schnellere Erwärmung der Landflächen gegenüber dem Ozean eine wichtige Rolle zu spielen. Dieser Temperaturunterschied könnte, so die Fachleute, als Ursprung und Verstärkung atmosphärischer Wellen dienen, die dann zu den Resonanzeffekten und der Blockade führen. Beide Effekte gehen nachweislich direkt auf den Klimawandel zurück. Zusätzlich scheinen quasiresonante Verstärkungen nach starken El-Niño-Jahren häufiger vorzukommen.
Mit dem Ergebnis ist nun klar, dass extreme Wetterlagen mit dem Klimawandel weiterhin stärker zunehmen werden, als die Erwärmung allein erklären kann. Allerdings sind keineswegs alle Fragen beantwortet. Unklar ist nämlich, wie sich El Niño zukünftig im Klimawandel verhält – und damit immer noch, wie stark Jetstream-Blockaden im Sommer wirklich zunehmen.
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