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Kosmologie: Junge Galaxien mit großem Hunger

Junge Galaxien waren zwergenhaft klein verglichen mit heutigen Welteninseln. Astronomen fanden nun heraus, wie sich ihr Wachstum nach dem Urknall abspielte.
Bewegung des Gases in den jungen Galaxien

Aus Beobachtungen junger Galaxien in der Frühzeit des Universums ist bekannt, dass sich diese deutlich von den gewaltigen Spiralnebeln und elliptischen Galaxien des heutigen Universums unterscheiden: Blicken Astronomen in die Tiefen des Alls und damit weit in die Vergangenheit, so finden sie vor allem massearme und sehr viel kleinere Welteninseln als heute. Irgendwann erwarben diese Leichtgewichte also zusätzliche Masse und wuchsen zur heutigen Größe an. Doch wann und auf welche Weise dies geschah, war bisher nicht genau bekannt.

Mit Hilfe einer großangelegten Galaxiendurchmusterung am Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO auf dem Cerro Paranal in Chile haben Astronomen nun Licht ins Dunkel der Galaxienentwicklung gebracht. In mehr als 100 Stunden Beobachtungszeit trugen die Astronomen die bisher größte Sammlung detaillierter Aufnahmen gasreicher Galaxien im frühen Universum zusammen. Thierry Contini vom IRAP in Toulouse (Frankreich), der die Untersuchung leitet, erklärt: "Galaxien wachsen durch zwei konkurrierende Prozesse: erstens durch stürmische Verschmelzungen, bei denen größere Galaxien kleinere geradezu auffressen, und zweitens durch einen allmählichen, gleichmäßigen Zustrom von Gas. Beide Prozesse können zur Bildung vieler neuer Sterne führen."

Junge Galaxien im fernen Universum | In einer kleinen Himmelsregion im Sternbild Walfisch ist eine Auswahl von Galaxien zu sehen (markiert mit roten Kreuzen), die für eine neue Studie herangezogen wurde. Diese untersucht junge Galaxien und ihr Wachstum im frühen Universum. Jeder dieser unscheinbaren Lichtflecke ist eine Galaxie, die wir so sehen, wie sie zwischen drei und fünf Milliarden Jahren nach dem Urknall gewesen ist, und die nun mit dem Very Large Telescope der ESO und dem SINFONI-Instrument eingehend untersucht wurde.

In der neuen Untersuchung beobachtete das internationale Astronomenteam Galaxien im Zeitraum von drei bis fünf Milliarden Jahren nach dem Urknall. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass sich in dieser Zeit die Art und Weise, in der die Galaxien wachsen, grundlegend geändert hat. Im sehr jungen Universum scheint der stetige Zustrom von Gas der Hauptfaktor gewesen zu sein, während zum Ende des beobachteten Zeitraums Verschmelzungen von Galaxien eine zunehmend wichtige Rolle spielten.

Möglich wurden die neuen Erkenntnisse nur durch die hohe Empfindlichkeit und Auflösung der verwendeten Instrumente. Auf den Aufnahmen erscheinen die entfernten Galaxien nur als schwache Lichtflecken. Doch dank der hohen Auflösung der Daten können die Astronomen detailreiche Karten der einzelnen Galaxien erstellen, welche die Bewegung und Zusammensetzung einzelner Bereiche in den Welteninseln abbilden. Dank der großen Detailfülle zeigten die neuen Aufnahmen auch einige Überraschungen.

Bewegung des Gases in den jungen Galaxien | Diese Aufnahme zeigt die spektroskopischen Untersuchungen mit dem SINFONI-Instrument am Very Large Telescope der ESO. Die farbigen Ausschnitte zeigen die Bewegung des Gases im Inneren der Galaxien: Blau zeigt an, dass das Gas sich – bezogen auf die Bewegung der Galaxie insgesamt – auf uns zu bewegt, und Rot bedeutet dass das Gas sich von uns entfernt. Die Farben ermöglichen es den Astronomen, herauszufinden ob die Galaxie wie eine starre Scheibe rotiert oder ein ganz anderes Verhalten zeigt.

Benoît Epinat, ein Mitglied des Astronomenteams, ist erstaunt: "Für mich war die größte Überraschung, dass wir viele Galaxien entdeckt haben, deren Gaskomponente keine Rotation aufweist. Im nahen Universum beobachten wir so etwas überhaupt nicht, und keine der gängigen Theorien sagt die Existenz solcher Objekte voraus." Doch nicht nur darin unterscheiden sich die Galaxien in ihrer Jugendzeit von denen im Erwachsenenalter. "Wir hätten auch nicht erwartet, dass so viele der jungen Galaxien in unserer Durchmusterung eine hohe Konzentration von schweren Elementen in ihren Außenbereichen aufweisen – das ist das exakte Gegenteil von dem, was man in heutigen Galaxien beobachtet", ergänzt Contini.

Die jetzt vorgestellten Ergebnisse sind erst der Anfang: Die Astronomen beginnen gerade erst, die aufgenommenen Daten auszuwerten. Doch sie planen schon weitere Beobachtungen der entdeckten Galaxien mit zukünftigen Instrumenten am VLT und dem Atacama Large Millimeter Array. Mit diesem im Aufbau befindlichen Radiowelleninterferometer aus 66 Einzelantennen können die Forscher das kalte Gas in den Galaxien mit noch höherer Genauigkeit untersuchen.

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