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News: Junger oder alter Weggefährte?

Seit Jahrmillionen hat der Mensch unliebsame Begleiter - Parasiten. Dazu gehört auch der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum. Doch seit wann dieser in seiner heutigen gefährlichen Form die Menschen plagt, ist heftig umstritten. Und auch neue Ergebnisse bringen keine Klarheit: Einer ersten Untersuchung zufolge entstanden die modernen Erregerstämme etwa zu der Zeit, als unsere Vorfahren begannen, sesshaft zu werden. Laut einer zweiten Studie sind sie hingegen schon seit etwa 300 000 Jahren fatale Zwischenmieter in menschlichen Körpern.
Ein bis drei Millionen Tote und 200 bis 300 Millionen Neuinfizierte jährlich, das ist die erschreckende Bilanz des Malaria-Erregers Plasmodium falciparum. Offenbar ist er ein enger Begleiter der Menschen – doch wie lange schon? Wissenschaftler sind sich prinzipiell einig, dass es den Parasiten in irgendeiner Form schon vor acht Millionen Jahren gab, als sich die Abstammungslinien von Schimpansen und Menschen trennten. Aber seit wann es die gefährlichen modernen Varianten gibt, darüber klaffen die Ansichten weit auseinander. Denn das Erbgut des Erregers erzählt unterschiedliche Geschichten.

Die eine Partei der Forscher ist überzeugt, dass die epidemische Form auf eine kleine Population zurückgeht, die sich vor etwa 20 000 Jahren plötzlich exponentiell ausbreitete. Wissenschaftler um Dyann Wirth und Daniel Hartl der Harvard University untermauern nun diese Ansicht [1]. Als Untersuchungsobjekte wählten sie Introns – DNA-Stücke, die für Proteine codieren und daher nicht der natürlichen Auslese unterliegen. Außerdem gehören diese zu den am schnellsten evolvierenden Sequenzen bei Eukaryoten. Insgesamt analysierte das Team 25 Introns von acht verschiedenen Stämmen aus allen Teilen der Welt. Dabei kam ihnen zur Hilfe, dass inzwischen zwei der 14 Chromosomen von Plasmodium falciparum vollständig entziffert vorliegen.

Alles in allem entdeckten sie in ihren Proben gerade einmal drei Punktmutationen. Mithilfe weiterer Daten berechneten sie daraus ein Alter von 9500 bis 23 000 Jahre für das Genom der modernen pathogenen Stämme – damit stammt es aus einer Zeit, in der die Menschen begannen, sesshaft zu werden und auch ersten Ackerbau betrieben. Für zwei der drei Mutationen ist allerdings die Mutationsrate nicht ganz sicher, weshalb die Forscher diese in einer zweiten Berechnung ausklammerten. Und dann wäre das Genom sogar nur zwischen 3200 und 7700 Jahre alt. Das passt sehr gut zum Beginn des Brandrodungsfeldbaus in Afrika vor weniger als 6000 Jahren. Damals entstanden vielleicht die Bedingungen, durch die sich der Erreger in der menschlichen Population ausbreiten konnte: Er fand gute Lebensbedingungen in Tümpeln und Pfützen, und seine Wirte lebten nun in ausreichend großen und festen Gruppen zusammen.

Doch der Streit ist damit nicht geklärt. Denn Austin Hughes von der University of South Carolina in Columbia stellt deutlich widersprechende Ergebnisse vor [2]. Er vertritt die Ansicht, dass Plasmodium falciparum ein sehr altes Genom besitzt. Zusammen mit seiner Kollegin Federica Verra von der Università degli Studi di Roma verglich er anhand der öffentlich zugänglichen Gendatenbanken von Plasmodium die Sequenzen von 23 Genen und fand dabei eine ganze Reihe von Mutationen. Daraus schließen sie, dass der Erreger seit mindestens 300 000 Jahren in nicht geringer Zahl vorkommt.

Wer hat nun recht? Hughes hält die Schlussfolgerungen von Wirth und Hartl für übereilt, weil die Forscher nur zwei Chromosomen berücksichtigt haben. Diese hingegen weisen darauf hin, dass die öffentlich zugänglichen Gendatenbanken häufig Fehler enthalten, weshalb sie ihre Introns auch mehrmals und das in beide Richtung sequenzierten. Hughes geht allerdings davon aus, dass dies nur einen kleinen Teil der großen Variabilität ausmacht. Vielleicht seien einige Genomabschnitte des Parasiten gleichförmiger als andere – und Hartls Team hatte sich ausgerechnet solche ausgesucht. "Diese Alternative muss ernst genommen werden", stimmt Hartl zu. Aber in einem Punkt sind sich die Wissenschaftler denn doch einig: Regionen, die quer durch alle Plasmodien-Stämme recht einheitlich sind, bieten ein gutes Ziel für Medikamente oder Impfstoffe.

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  • Quellen
[1] Science 293: 482–484 (2001)
[2] Proceedings of the Royal Society Biological Sciences (im Druck)
Science 293: 416–417 (2001)

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