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Krieg und Gewalt: Jungsteinzeitgrab belegt Folter und Massenmord

Die Steinzeit war höchstens so lange friedlich, bis Menschen um Ressourcen streiten mussten. Dann schlug wohl die Stunde von Massenmord, Folter und psychologischer Kriegsführung.
Schädelfraktur aus der Jungsteinzeit

Die Agrarkultur der Linearbandkeramiker brachte einst Ackerbau und Viehzucht im Herzen Europas zur Blüte, verdrängte erst spektakulär die älteren Jäger und Sammler – und verschwand nach einigen Jahrhunderten ebenso plötzlich wieder von der Bildfläche, ohne große Spuren im Genpool des heutigen Europas zu hinterlassen. Was sich am Ende der frühen Agrargemeinschaften in der Jungsteinzeit ereignet hat, bleibt dabei ein Rätsel der Archäologie. Ganz friedlich ging es aber sicher nicht immer zu, wie Indizien an verschiedenen Ausgrabungen nahelegen. Das neueste grausige Indiz fanden Mainzer Archäologen um Christian Meyer nun in einem Massengrab mit 26 Linearbandkeramikern im hessischen Schöneck-Kilianstädten: Die Toten – vor allem Männer und junge Kinder – waren vor rund 7000 Jahren womöglich erst gezielt zu Krüppeln geschlagen und anschließend getötet und dann recht achtlos verscharrt worden. Junge Frauen und Teenager fehlen im Grab; vielleicht wurden sie von den Angreifern verschleppt.

Zwei weitere Stätten offensichtlicher Gewalt sind bereits zuvor beschrieben worden, im badischen Talheim und dem niederösterreichischen Asparn. Zwar sind nun drei Belege für Massaker nur anekdotische Hinweise, sie stützen aber die Vorstellung, dass mit der zunehmenden Verbreitung der Linearbandkeramikkultur allmählich soziale Spannungen und zunehmend nicht friedlich gelöste Konflikte auftraten. Vielleicht lag dies auch an der Sesshaftigkeit, die mit dem Umstieg auf Landwirtschaft einhergeht und ein Ausweichen bei Konflikten erschwert, was den früheren Wildbeutern im spärlicher besiedelten Europa noch möglich gewesen ist. Die bisherigen Indizien legen nahe, dass sich Gewaltausbrüche gegen Ende der Linearbandkeramik-Ära häuften. Womöglich steht das Verschwinden der Kultur damit in Zusammenhang.

Wie in Talheim und Asparn finden sich auch an den Opfern des hessischen Jungsteinzeitmassakers stumpfe Kopfverletzungen, die von dem Schlag mit einer Dechsel herrühren dürften, einem Vorläufer von Hacke, Beil und Axt, die als Universalwerkzeug in der Landwirtschaft verwendet wurde. Spezialisierte Waffen entstanden in der Menschheitsgeschichte erst später, das Werkzeug war aber sicher auch als Waffe im Einsatz und findet sich oft als Grabbeigabe männlicher Bandkeramiker. Auffällig sind die Beinverletzungen, die den Menschen kurz vor oder nach ihrem Tod beigebracht wurden: Sie könnten Spuren von Folter sein, sind jedenfalls nicht zufällig entstanden. Ob die Flucht der Menschen von den Angreifern verhindert werden sollte oder diese eine psychologische und symbolische Botschaft senden wollten, ist unklar – möglich wäre Letzteres mit Blick auf ähnliche Szenarien bis in die Moderne aber durchaus. Vielleicht sollte eine Botschaft an Feinde und Konkurrenten transportiert werden, spekulieren die Forscher. Immerhin ereignete sich die Attacke in einer Gegend, die als Grenzregion zwischen zwei verschiedenen lose organisierten Linearbandkeramiker-Netzwerken lag.

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