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Elektronik: Kabellos glücklich

Bereits im frühen 20. Jahrhundert experimentierte der Erfinder Nikola Tesla mit riesigen Spulen herum, um den elektrischen Strom drahtlos zu übertragen. Er erzeugte damit zwar ungeheure elektrische Felder, sein eigentliches Ziel blieb ihm aber verwehrt. Die Zukunft sollte noch ein Jahrhundert auf sich warten lassen.
Strom ohne Kabel
Es gab Zeiten, da war ein Telefonapparat in den eigenen vier Wänden noch eine richtige Sensation. Heutzutage ist es für viele Menschen hingegen undenkbar, nicht rund um die Uhr und vor allem allerorten erreichbar zu sein. Die vermeintliche Freiheit, die Handys ihrem Nutzer gewähren, hält zu deren Ärger allerdings nur so lange, bis der Akku auch seine letzte Energie in die Schaltkreise des Mobiltelefons gepumpt hat. Gut ein Meter Ladekabel halten den Besitzer nun in Steckdosennähe. So wie früher eben – doch da hatte man sich schließlich noch nicht an die Ungebundenheit beim Fernsprechen gewöhnt.

An Konzepten, um diesen Missstand auch hinsichtlich anderer portabler Gerätschaften zu überwinden, mangelt es inzwischen jedenfalls nicht. Informationen werden heute beispielsweise ganz selbstverständlich mit Hilfe von elektromagnetischer Strahlung, etwa Radiowellen, über weite Distanzen hinweg übertragen. Leider eignen sie sich nur bedingt zum Stromtransfer – sind sie ungerichtet, verliert sich zu viel Energie im Raum, und der Einsatz eines Lasers würde schon auf Grund einer gänzlich freien Bahn scheitern. Andere Ideen mussten also her. Physiker um Takao Someya von der Universität Tokio entwarfen kürzlich eine elastische Kunststofffolie, die elektrische Geräte kontaktlos mit Strom versorgt. Auf Tischen und an Wänden montiert würde sie Kabel überflüssig machen.

Erst die Theorie ...

Durch elektromagnetische Induktion können damit bis zu vierzig Watt an Geräte übertragen werden – allerdings nur in einem Umkreis von zweieinhalb Zentimetern. Andernfalls nimmt sind die Energieverluste zu groß und machen die Methode unpraktisch. Das bedeutet also jede Menge Spulen oder wieder einen eingeschränkten Nutzungsbereich. Einen anderen Gedanken verfolgen Forscher des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Sie wollen statt elektromagnetischen Feldern nur magnetische verwenden, um die Energie ohne Kabel zu übertragen.

WiTricity – so tauften die Wissenschaftler ihre Erfindung – basiert auf zwei Induktionsspulen mit derselben Resonanzfrequenz, die hauptsächlich durch ihr magnetisches Feld gekoppelt sind. Auf diese Weise können sie sehr effizient Energie austauschen, während benachbarte Gegenstände nur sehr schwach von der Wechselwirkung betroffen sind. Anschaulicher wird das Prinzip bei der akustischen Resonanz: Gläser, die jeweils bis zu einem bestimmten Grad gefüllt sind, besitzen verschiedene Eigenfrequenzen – stößt man sie mit einem Löffel an, bringen sie jeweils einen anderen Ton hervor. Trifft ein Opernsänger nun genau eine dieser Frequenzen, regt er das entsprechende Glas zu Schwingungen an. Wird dabei genug Energie auf das Gefäß übertragen, kann es sogar zerbersten. Gläser mit anderen Füllhöhen bleiben hingegen unversehrt.

... dann die Praxis

Obwohl André Kurs und seine Kollegen den theoretischen Rahmen bereits vor einem Jahr entwarfen, zeigten sie nun erstmals experimentell, dass zwischen zwei ringförmigen Kupferantennen mit Hilfe der Resonanz tatsächlich elektrische Energie übertragen werden kann. Eine der rund einen halben Meter großen Spulen schlossen sie an eine oszillierende Stromquelle an – sie bildet die Sendeeineinheit und füllt den Raum um sich mit einem Magnetfeld aus, das mit einer Frequenz von zehn Megahertz schwingt, also zehn Millionen Mal pro Sekunde. Zum Vergleich: Das elektromagnetische Feld eines Handys schwingt zwei Milliarden Mal pro Sekunde.

Strom aus der Ferne | Mit Hilfe einer ringförmigen Kupferantenne empfängt eine 60-Watt-Glühlampe den Strom aus zwei Metern Entfernung – und das trotz Hindernis.
Bei WiTricity bleibt die elektrische Komponente des Feldes hingegen größtenteils in der Spule. Die Empfangsspule reagiert auf das oszillierende magnetische Feld und nimmt vergleichbar mit dem akustisch angeregten Glas Energie auf – ein elektrischer Strom wird induziert. In dem Experiment brachten die Forscher so eine 60-Watt-Glühlampe zum Leuchten. Über eine Distanz von zwei Metern erreichen sie einen Wirkungsgrad von immerhin vierzig Prozent. Und sogar Hindernisse wie etwa Holz, Metall oder andere elektrische Geräte zwischen den beiden Kupferspulen ließen das Lämpchen nicht erlöschen.

Die Wissenschaftler arbeiten nun an handlicheren Versionen, ohne dabei die Effizienz zu mindern. So ausgestattet, könnten sich Handy & Co bei Bedarf selbst bedienen – ohne, dass wir auch nur irgendeine Unannehmlichkeit in Kauf nehmen müssen. Auch wenn das sicherlich noch ein bisschen dauert, sind sich die Forscher sicher, dass die Technologie die schöne neue Welt erobern wird.

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