Direkt zum Inhalt

Geburtshilfe: Kaiserschnitt verändert die Evolution des Menschen

Ein Kaiserschnitt kann Kinder retten, die früher noch gestorben wären. Greift der Mensch also mit medizinischen Mitteln in seine Evolution ein?
Neugeborenes Baby

Ein Kaiserschnitt hat bereits ungezählten Schwangeren und ihren Kindern das Leben gerettet. Medizinisch ist er unter anderem in Fällen angezeigt, bei denen der Kopf des Kindes recht groß und der Geburtskanal der Mutter sehr schmal ist, dem so genannten "Becken-Kopf-Missverhältnis": Die dann gefährlichere natürliche Geburt wird durch den Kaiserschnitt vermieden. Aber müssten nicht, so spekulierten Evolutionsforscher, als Nebeneffekt der erfolgreichen OPs dann auch immer mehr Kinder mit größerem Kopfumfang zur Welt kommen? Forscher aus Österreich und den USA haben das nun einmal nachgerechnet und kommen zu dem Schluss: Ja, der Kaiserschnitt dürfte sich tatsächlich messbar auf die menschliche Evolution auswirken, genauer gesagt, auf das Gewicht bei der Geburt.

Ein größeres Geburtsgewicht eines Kindes – und damit ein größerer Kopf – war Menschen im Lauf der Evolution stets eine zweischneidige Sache: Die Überlebenschancen besonders properer Babys sind nach der Geburt besser, die Lebensgefahr während der Geburt dagegen aber größer. Gleichzeitig konnte sich die Anatomie der Mütter nicht an immer größere Babys anpassen kann, da Frauen mit zunehmend breitem Becken sich auch nur zunehmend unbeholfen auf zwei Beinen bewegen können. Mit dem Kaiserschnitt fällt diese natürliche Beschränkung des Geburtsgewichts aber weg – und dies hat sich offenbar schon ausgewirkt, seit ab den 1950er Jahren immer mehr Kaiserschnitte durchgeführt wurden. Denn im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der "Becken-Kopf-Missverhältnisse" tatsächlich um rund 10 bis 20 Prozent an, berechnen die Forscher auf der Basis von mathematischen Evolutionstheorie-Modellen.

Damit ist zwar nicht unmittelbar belegt, dass durchschnittlicher Kopfumfang und Gewicht wegen des Kaiserschnitts wirklich größer werden. Auch der tatsächlich feststellbare Anstieg des Geburtsgewichtes kann dies nicht beweisen: Denn zwar ist es in westlichen Industriestaaten in den letzten Jahrzehnten wirklich stetig angestiegen – in Europa etwa im Zeitraum von 1978 bis 1998 um 45 bis 95 Gramm –, allerdings spielen hier viele Faktoren eine Rolle, als Hauptgrund sicherlich eine zunehmend bessere Ernährung der Mütter. Dass aber seit Einführung des Kaiserschnitts immer mehr Kinder gesund geboren werden, bei denen früher die Geburt lebensgefährlich gewesen wäre, ist ebenso offensichtlich.

Weltweit wird die Geburtsoperation auch aus anderen Gründen häufig statt einer natürlichen Geburt durchgeführt, und in Deutschland kommt ebenfalls seit Jahren stabil ein knappes Drittel der Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt. Neben dem Becken-Kopf-Missverhältnis wird ein Kaiserschnitt empfohlen, wenn das Kind vor der Geburt quer im Körper der Mutter liegt oder der Mutterkuchen den Muttermund blockieren könnte. In vielen Fällen ist der Kaiserschnitt kein Muss: etwa bei einer Beckenendlage, Zwillingsgeburten oder einem vorangegangenen Kaiserschnitt.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.