Direkt zum Inhalt

News: Kaltes Herz

Die Schwingungen unseres Heimatsterns sind bereits so gut bekannt, dass sich ihrer Erforschung ein eigenes Fachgebiet der Sonnenphysik widmet. Nun beobachteten Astronomen ganz ähnliche Erschütterungen an einem Objekt, das auf den ersten Blick wenig mit einem hell leuchtenden Stern gemein hat.
Barnard 68
300 Lichtjahre entfernt von der Erde im Sternbild Schlangenträger befindet sich ein äußerst düsterer Ort. Eindrucksvoll zeichnet sich die Dunkelwolke Barnard 68 vor dem Sternenhintergrund ab und wirkt fast wie ein Loch im Himmelszelt, denn kein Sternenlicht vermag die Wolke aus Gas und Staub zu durchdringen.

Auf einen Raum, der 300-mal größer ist als unser Sonnensystem, erstreckt sich diese so genannte Bok-Globule. Trostlos wäre es, wenn sich unsere Sonne samt ihrer Planeten im Zentrum der Dunkelwolke befände. Des Nachts wäre kein Stern am Himmel zu sehen, nur das reflektierte Licht einzelner Planeten würde einsam seine Bahnen ziehen.

"Wir wollten feststellen, ob Barnard 68 rotiert, expandiert oder sich zusammenzieht", erinnert sich Charles Lada vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics im amerikanischen Cambridge. Denn Molekülwolken blockieren nicht nur das Licht der Sterne, sondern erweisen sich selbst als Geburtsorte neuer Sterne. Und mit anderthalb Sonnenmassen hätte Barnard 68 auch genug Materie dazu. Die hiesige Temperatur von gerade mal zehn Kelvin hebt sich allerdings nur geringfügig von der allgegenwärtigen Hintergrundstrahlung ab, und Anstalten, zu kollabieren, macht die Globule auch nicht. "Stattdessen bemerkten wir, dass diese Molekülwolke scheinbar einen Herzschlag hat."

Wie Wackelpudding wird der düstere Fleck im All von Erschütterungen heimgesucht, die jedoch wie in Zeitlupe ablaufen. Denn lediglich im Rhythmus von 250 000 Jahren pulsiert Barnard 68. "Von Sternen weiß man, dass sie pulsieren, aber von Wolken kannte man das bislang nicht", wundert sich Lada. Unsere Sonne erbebt beispielsweise im Minutenabstand, wobei "Sonnenseismologen" tausende von verschiedenen Erschütterungsmustern kennen. Barnard 68 weist hingegen nur einige wenige auf. Und dennoch verhält sich die Dunkelwolke bereits wie ein Stern, der zwar noch nicht im Licht erstrahlt, dessen Herz jedoch bereits zu schlagen begonnen hat.

Lada und ihre Kollegen konnten das komplexe Bewegungsmuster von Barnard 68 mithilfe des IRAM 30-Meter Radioteleskops auf dem spanischen Pico de Veleta bestimmen. Die Forscher sammelten dabei Daten, die sowohl auf ein- wie auch auf ausströmende Materie an der Oberfläche der Dunkelwolke hinweisen – nichts jedenfalls, das sich allein mit einfacher Rotation, einem Kollaps oder einer Expansion erklären ließe.

Über die Kräfte, die Barnard 68 erschüttern, können die Forscher bislang nur spekulieren: Die Schockwelle einer Supernova könnte beispielsweise die Wolke vor einiger Zeit erreicht haben. Dafür spricht auch, dass sich die Dunkelwolke in einer ansonsten mehr oder minder leergefegten Region des Alls befindet. Die Schockwellen könnten die äußeren Bereiche der Dunkelwolke weggerissen und den schwingenden Kern zurückgelassen haben.

Was auch immer die ferne Wolke erschütterte, "es ist schon bemerkenswert, dass dieselben Gleichungen, die stellare Strukturen und Pulsationen beschreiben, auch auf Barnard 68 zutreffen, obwohl es sich um ganz andere Systeme handelt, denen eine ganz andere Physik zugrunde liegt." Lada will nun auf jeden Fall auch einen genaueren Blick auf die anderen Molekülwolken werfen, die mit hochaufgelösten Beobachtungsmethoden zugänglich sind. Denn wer weiß, vielleicht schlägt auch hier ein einsames Herz.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.