Sonnensystem: Kann man die Ringe des Saturns trinken?

Im November 2024 wurde ich für einen wunderbaren Podcast »Living On Earth« zu meinem neuesten populärwissenschaftlichen Buch, »Under Alien Skies«, interviewt. Bei den Vorbereitungen für die Sendung stellte mir einer der Produzenten eine Frage, die so einfach schien, so wunderbar prägnant war und aus einer so seltsamen Richtung kam, dass ich sofort begeistert war: »Kann man die Ringe des Saturns trinken?«
Nachdem ich einen Moment innegehalten hatte, betete ich eine meiner Lieblingsantworten als Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikator herunter: »Ich weiß es nicht. Doch ich werde versuchen, es herauszufinden.«
Das habe ich dann auch getan. Und zu meiner Freude ist die nuancierte Antwort, die ich gefunden habe, ein weiterer persönlicher Favorit: »Ja! Aber nein. Irgendwie. Es kommt darauf an.« Ich liebe diese Art von Antworten, weil sie immer dann auftauchen, wenn die Wissenschaft hinter einer scheinbar einfachen Frage gar nicht so simpel ist. Schnappen Sie sich also ein kühles Glas Wasser, lehnen Sie sich zurück und lassen Sie mich erklären.
Der schönste unserer Planeten
Die Ringe des zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems wurden wahrscheinlich vom italienischen Astronomen Galileo Galilei im Jahr 1610 entdeckt. Sein Teleskop war im Vergleich zu modernen Geräten ziemlich minderwertig. Durch dessen Optik konnte er nur zwei Flecken sehen, einen auf jeder Seite der sichtbaren Seite des Planeten; er nannte sie die »Ohren des Saturns«.
Erst einige Jahrzehnte später erkannten Astronomen, dass es sich bei diesen »Ohren« eigentlich um einen Ring handelt, der den Planeten umgibt. Vieles war damals noch unklar, eines allerdings stand außer Zweifel: Der Ring konnte nicht fest sein. Die Geschwindigkeit, mit der ein Objekt einen Planeten umkreist, hängt von seiner Entfernung zu diesem ab. Und der Saturnring war so breit, dass der innere Rand viel schneller kreisen musste als der äußere Rand, was alles Feste auseinanderreißen würde.
Die Astronomen hatten verschiedene Vorstellungen von der Struktur des Rings, darunter mehrere aufeinanderfolgende feste Ringe oder gar flüssige Objekte. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts bewies der große schottische Physiker James Clerk Maxwell, dass keine dieser Ideen korrekt war. Stattdessen erklärte er, die Struktur um den Saturn könnte aus unzähligen kleinen Teilchen bestehen, die viel zu klein sind, um von der Erde aus als einzelne Bestandteile erkannt zu werden. Und damit lag er richtig.
Diese kleinen Objekte bilden nicht nur einen Ring, sondern gleich mehrere. Die Ringe werden in der Reihenfolge ihrer Entdeckung mit Buchstaben bezeichnet: Der A-Ring ist der äußerste helle Ring, direkt danach kommt der helle und breite B-Ring, der den größten Teil der Masse des Ringsystems enthält. Daran schließt sich der dunklere C-Ring an, der in den schwachen D-Ring übergeht - und dieser erstreckt sich fast bis in die obere Atmosphäre des Saturns. Insgesamt spannen die Ringe fast 275 000 Kilometer auf – zwei Drittel der Entfernung von der Erde zum Mond! Trotz ihrer immensen Ausdehnung sind die Ringe fast völlig flach, an vielen Stellen nur etwa zehn Meter dick. Genau betrachtet sehen sie wie eine schmale Linie aus, die den Planeten durchschneidet.
Woraus bestehen die steinigen Ringstrukturen?
Aber woraus bestehen sie eigentlich? Im Lauf der Jahrhunderte haben Beobachtungen gezeigt, dass der Hauptbestandteil der Ringe gefrorenes Wasser ist. Das gute alte gefrorene H2O ist im äußeren Sonnensystem weit verbreitet und macht den Großteil vieler Monde und anderer kleiner Körper dort aus. Tatsächlich hat die Raumsonde Cassini – die den Saturn mehr als zwölf Jahre lang umkreiste – gezeigt, dass die Ringe an einigen Stellen aus fast reinem Eis bestehen. Die meisten Ringteile sind höchstens wenige Zentimeter groß: so groß wie Eiswürfel. Klingt großartig, oder? Alles, was Sie tun müssen, ist, ein paar Stücke zu sammeln, sie zu erwärmen – und zwar stark (die durchschnittliche Temperatur der Ringe liegt bei etwa –190 Grad Celsius) –, und schon haben Sie einen schönen, erfrischenden Drink.
Doch nicht so schnell. Denn an dieser Stelle wird es komplizierter. Die Spektren der Ringe zeigen auch, dass mehr als völlig reines Eis darin stecken muss. Sie enthalten noch andere Stoffe, und obwohl wir normalerweise von einer Verunreinigung von weniger als ein Massenprozent sprechen, ist nicht klar, woraus dieses Material zusammengesetzt ist. Forschende vermuten, dass die Verunreinigungen von den Einschlägen von Mikrometeoriten stammen: winzigen Teilchen, die im äußeren Sonnensystem herumschwirren. Dieses Material besteht daher wahrscheinlich aus Silikaten, also Gesteinen, oder aus reichlich vorhandenen Metallen, insbesondere Eisen.
Weder das eine noch das andere schadet Ihnen, obwohl die US-Umweltschutzbehörde empfiehlt, nicht mehr als 0,3 Milligramm Eisen pro Liter Trinkwasser zu verwenden – um einen metallischen Geschmack zu vermeiden. Bevor Sie Ihr Ringwasser trinken, sollten Sie es mit einem Magneten untersuchen und dabei eventuelle Silikatablagerungen herausfiltern.
Außerdem deuten die Spektren der Ringe auch auf das Vorhandensein einiger unbekannter kohlenstoffbasierter Verunreinigungen hin. Wahrscheinliche Kandidaten wären komplexe organische Moleküle, so genannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK; englisch: polycyclic aromatic hydrocarbons, PAH), die im Weltraum relativ häufig vorkommen. So blasen viele Riesensterne beim Sterben PAK-haltige Winde aus. Ein Molekül, das häufig in PAK vorkommt, ist Cyanonaphthalin, das als krebserregend gilt. (Es ist jedoch unklar, inwieweit die Exposition für den Menschen ein Risiko darstellt – oder ob dieses Molekül überhaupt in den Ringen vorkommt).
Nicht jeder Ring eignet sich gleich gut zum Verzehr
Am besten wäre es trotzdem, vorsichtig zu sein und die potenziellen Verunreinigungen zu vermeiden, indem man die Ringe, die man trinken möchte, sorgfältig auswählt. Der Wasseranteil ist zum Beispiel im äußeren A- und im mittleren B-Ring am höchsten, während der C- und der D-Ring am stärksten verunreinigt zu sein scheinen. Generell wäre es also vermutlich besser, sich für Eis aus A oder B zu entscheiden und C und D zu ignorieren.
In den Ringen könnten sich auch andere Eissorten befinden, darunter gefrorenes Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Methan sollte heraussprudeln, wenn das Eis verflüssigt wird, und CO2 ist natürlich das, was kohlensäurehaltige Getränke sprudelnd macht. Das könnte dem Trinken aus den Ringen einen besonderen Kick geben!
Es gibt auch andere Ringe als die großen, die wir bereits erwähnt haben. Der Saturn-Eismond Enceladus verfügt beispielsweise über Dutzende von Geysiren, die flüssiges Wasser aus seinem Inneren ins All schleudern. Dieses bildet einen schwachen, unscharfen Ring (E-Ring), der wiederum größtenteils aus Wassereis besteht, aber auch geringe Mengen an Silikaten und schädlichem Ammoniak enthält – daher würde ich ihn nicht zum Verzehr empfehlen. Alles in allem sieht es jedoch so aus, als ob die Ringe des Saturns – wenn sie sorgfältig aufbereitet und gereinigt werden – tatsächlich trinkbar sind!
Wie viel Wasser ist denn in den Ringen enthalten? Die Gesamtmasse der Ringe beträgt etwa 1,5 × 1019 Kilogramm, was unter Berücksichtigung der Dichte des Eises und der Entfernung von Verunreinigungen etwa zehn Quintillionen Liter Wasser ergeben sollte – genug, um jeden Menschen auf der Erde mehr als eine Million Jahre lang gut mit Wasser zu versorgen. Wenn die Menschen eines Tages beginnen, interplanetare Raumschiffe zu benutzen, werden sie extraterrestrische Wasserquellen benötigen, denn die Gewinnung von Wasser von der Erde ist schwierig und teuer. Die Ringe des Saturns könnten eines Tages zu einem beliebten Rastplatz werden. Und was für ein Anblick würde sich den Besuchern bieten, wenn sie auftanken!
Mein Dank gilt meiner Freundin und Astronomin Heidi Hammel für ihre Hilfe bei diesem Artikel und El Wilson für diese großartige Frage!
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