Direkt zum Inhalt

News: Kardiologen stürzen Dogma

Europäische Mediziner haben die ersten statistisch aussagekräftigen Ergebnisse publiziert, wonach die seit Jahrzehnten in der Bluthochdruck-Behandlung verwendeten Beta- Blocker das Leben vieler Herzschwäche-Patienten retten können. Bei Probanden, die solche Medikamente einnahmen, kam es zu 34 Prozent weniger Todesfällen. Viele Jahre lang galt die Verschreibung von Beta-Blockern bei Herzinsuffizienz als verboten.
"Die Studie ist die erste, die statistisch eindeutig zeigt, daß Herzinsuffizienz-Patienten von einer solchen Behandlung profitieren. Bisher gab es dazu nur kleinere Untersuchungen, die einen positiven Trend zeigten. Ehemals war es verpönt, Kranken mit Herzschwäche Beta-Blocker zu verschreiben. Das war ein Dogma", erklärte Werner Klein von der Medizinischen Universitätsklinik Graz. Die Untersuchung war in knapp 20 europäischen Staaten durchgeführt worden.

Insgesamt 2 647 mit durch Infarkte oder andere Erkrankungen bedingter mittlerer bis schwerer Herzschwäche (Stadium III und IV) hatten zunächst Entwässerungsmittel (Diuretika) bzw. die sonst häufig verschriebenen ACE-Hemmer erhalten. 1 320 Kranke bekamen dann zusätzlich ein Placebo, 1 327 hingegen begannen mit dem zusätzlichen Schlucken des Beta-Blockers Bisoprolol.

Klein: "Wichtig ist, daß man mit einem Achtel oder einem Viertel der üblichen Dosis beginnt." Langsam konnte die Dosierung auf bis zu zehn Milligramm des Medikaments erhöht werden. Durchschnittlich wurden die Patienten 1,3 Jahre lang beobachtet.

Die in The Lancet vom 2. Januar 1999 publizierten Ergebnisse waren frappant: Unter jenen Patienten, die zusätzlich den Beta-Blocker erhielten, lag die Sterblichkeit (aus jedweder Ursache) um 34 Prozent niedriger als unter den Kranken, die zusätzlich nur ein Placebo bekommen hatten. Die Sterbefälle infolge plötzlichen Herztods reduzierten sich um 44 Prozent. Schließlich verringerte sich die Zahl der Krankenhaus-Aufnahmen um 20 Prozent. Die Untersuchung war nach einer Zwischenanalyse vorzeitig beendet worden, weil die Ergebnisse so klar geworden waren.

Beta-Blocker bedeuteten in den sechziger Jahren eine Revolution in der Behandlung des Bluthochdrucks. Diese Wirkstoffe besetzen die sogenannten-Beta-Rezeptoren am Herzmuskel sowie der glatten Muskulatur (Blutgefäße) und behindern so die antreibende bzw. gefäßverengende Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin. Die Herzfrequenz sinkt, die Blutgefäße erweitern sich, der Blutdruck fällt. 1988 pries das Nobelpreis-Komitee die Arbeit des Beta-Blocker-Erfinders Sir James Black als "größten Durchbruch" in der Suche nach Herzmedikamenten seit 200 Jahren.

Doch gerade bei Herzinsuffizienz-Patienten war der Einsatz der Beta-Blocker bisher verpönt. Klein: "Durch die einschleichende Dosierung werden allerdings mögliche Probleme verhindert." Ein Manko der Studie: Unter den Patienten waren relativ wenige Personen mit schwersten Symptomen der Herzschwäche, weswegen Effekte bei diesen Kranken relativ schlecht belegt ist.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.