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News: Kartierung mittels Gravitationslinsen

Gravitationslinsen zeugen von gigantischen Schwerefeldern, die selbst Licht abzulenken vermögen. Jetzt fanden Forscher mithilfe dieses Effekts einen bislang unbekannten Galaxienhaufen und konnten sogar seine Entfernung bestimmen. Und die Fachwelt hofft, dass sich auf diese Weise bald auch die Verteilung der dunklen Materie kartiert lässt.
In jeder Galaxie gibt es um die 100 Milliarden Sterne und im ganzen Universum etwa 100 Millarden Galaxien, und all diese leuchtenden Punkte machen nur einen Bruchteil der gesamten Masse aus. Der Rest, 90 bis 99 Prozent, ist dunkle Materie, von der niemand weiß, woraus sie wirklich besteht. Ein Teil davon ist ganz normale, so genannte baryonische Materie, aus der beispielsweise die Planeten sind und alles was auf ihnen kreucht und fleucht. Sie strahlt nicht und ist deshalb dunkel. Der überweigende Teil könnte, so vermuten Forscher, aus massereichen Teilchen bestehen, die mit der baryonischen Materie schwach wechselwirken.

Die dunkle Materie sichtbar zu machen, danach streben die Astronomen derzeit geradezu um die Wette. Seit einer Weile suchen sie deshalb weltweit nach so genannten Gravitationslinsen, schließlich verfügt jede Masse über ein Schwerefeld, das nicht nur andere Materie anzieht, sondern auch Licht ablenkt. Eine Ansammlung dunkler Materie wird zwar selber unsichtbar bleiben, zeichnet sich aber dennoch vor dem strahlenden Hintergrund tausender von Galaxien ab. Durch ein Teleskop sieht der Sternenhimmel dann etwa so aus, als würde er von einer Lupe verzerrt. Mit dieser Methode, so hoffen die Astronomen, sollte es eines Tages möglich sein, auch der dunklen Materie auf die Spur zu kommen. Den ersten Test hat sie jetzt jedenfalls mit Bravour bestanden, Tony Tyson von Lucent Technologies und seine Kollegen fanden einen bislang unerkannt gebliebenen Galaxienhaufen.

Die Forscher hatten eine Weitwinkelkamera mit dem 4-Meter "Victor Blanco"-Teleskop in Cerro Tololo, Chile, gekoppelt und auf einen Abschnitt am Himmel gerichtet, der etwa so groß ist, wie zwei Vollmonde und in dem zehntausende von Galaxien zu sehen sind - alle bekannt und kartiert. Bei jedem leuchtenden Punkt, jeder einzelnen Galaxie suchten die Forscher nun nach den verräterischen Linseneffekten, die beweisen, dass sich in der Sichtlinie zu dem strahlenden Objekt unbekannte Materie befindet. Auf diese Weise erstellten sie eine "Massenkarte" des Raumes zwischen der Erde und den fernen Galaxien. Und tatsächlich fanden sie in der einen Ecke dieser Karte eine Gravitationslinse, die sich in einem konventionellen Teleskop als neuer Galaxienhaufen erwies.

Nun galt es, die Entfernung des Haufens abzuschätzen, und so ermittelten die Forscher die Rotverschiebung der Leuchtquelle im fernen Hintergrund, die Maß für die Entfernung ist. Irgendwo zwischen der Erde und dieser Galaxie musste nun der unbekannte Galaxienhaufen liegen. Je größer die Strecke zwischen ihm und der Lichtquelle ist, desto stärker wird das Licht durch die Gravitationslinse verformt. Und da sich der unbekannte Galaxienhaufen das Licht tausender von Galaxien in unterschiedlicher Entfernung verzerrt, konnten die Astronomen leicht berechnen, dass er sich in etwa 3,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung befindet.

Tysons Mitarbeiter David Wittman ist begeistert, denn die Überprüfung der Spektren einiger Galaxien innerhalb der Gravitationslinse hatte gezeigt, dass der Fehler der Entfernungsmessung unter zehn Prozent liegt. Die Arbeiten seien, so Wyne Hu von der University of Chicago, die erste überzeugende Demonstration, das sich die Gravitationslinsen bei der Kartierung dunkler Materie als überaus nützlich erweisen werden.

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