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News: Keimkontakte

Zwar haben sämtliche Stämme der Listeria-Bakterien in Lebensmitteln nichts verloren - infektiös und unangenehm für den Menschen sind aber längst nicht alle. Was macht also einen wirklich gefährlichen Listeria-Keim aus?
Sie schaffen ein klassisches Hygiene-Problem, die kleinen, stäbchenförmigen Listeria-monocytogenes-Bakterien: Überall in unserer Umwelt weit verbreitet, sollten sie trotzdem tunlichst niemals in Lebensmittel gelangen. Werden grundlegende Hygienemaßnahmen allerdings vernachlässigt, so können die Keime Wurst und Weichkäse, geräucherten Fisch, Fertiggerichte, Gemüse und andere Nahrungsmittel verunreinigen. Verzehren ohnehin schon immunschwache Menschen solche Lebensmittel – und mit ihnen größere Mengen der kleinen Listerien – dann können diese eine Bandbreite verschiedener Listeriose-Krankheitssymptome hervorrufen: von leichten grippeähnlichen Beschwerden bis hin zu Encephalitis oder Blutvergiftungen. Etwa 20 Prozent aller schwer Listeriose-Kranker sterben.

Infektionen mit Listerien sind eher selten – unter anderem wegen strenger Hygienevorschriften der Lebensmittelindustrie reicher Industrienationen –, auch aber deshalb, weil durchaus nicht jede Listerie auch tatsächlich gefährlich und infektiös ist. Was allerdings wenige der äußerlich kaum unterscheidbaren Listeria-Stämme verheerend, andere dagegen harmlos macht, stellt Wissenschaftler noch vor ein Rätsel.

Arun Bhunia und Ziad Jaradat von der Purdue University suchten nun nach Antworten. Zu diesem Zweck verglichen sie 25 unterschiedliche Listeria-Stämme – von denen nur vier bekanntermaßen für neun Zehntel aller Listeria-Erkrankungen in den USA verantwortlich zeichneten. Ihr genaues Augenmerk legten die Forscher auf eine bestimmte Eigenschaft der verschiedenen Listerien: ihre Fähigkeit, sich an Zellen festzuheften.

Für verschluckte Bakterien wie Listeria ist dies naturgemäß der erste Schritt zur erfolgreichen Eroberung eines Infektionsopfers: Erst nachdem die Keime sich an die Zellen des Verdauungstraktes geheftet haben, kann die Krankheit ihren Lauf nehmen. Anschließend dringen die Bakterien dann in die Zellen ein und veranlassen diese, sich auf Wanderschaft im Körper zu begeben. Je nach Schwere der Erkrankung gelangen solche unter Listeria-Einfluss stehenden, heimatlos umherirrenden Zellen in verschieden Organe und sorgen dort für unterschiedlichste Schäden. Besonders gefährliche Infektionen überschreiten sogar innerhalb von drei Tagen die Barriere der Blut-Hirn-Schranke und verursachen fatale Hirnhautentzündungen.

Ohne Anheftung der Zellen aber keine Listeriose – und so vermuteten Bhunia und Jaradat, das die Gefährlichkeit einzelner Stämme direkt mit ihrer Fähigkeit korreliert, an Zellen andocken zu können. Und tatsächlich offenbarten die Untersuchungen deutlich unterschiedliche Fertigkeiten einzelner Stämme, an Zellen aus menschlichen Zellkulturen zu binden. Nur: In Mäusen waren die schnell- und langsambindenden Stämme alle gleichermaßen infektiös – sämtlich Stämme sorgten gleichschnell für eine vergleichbare Anzahl befallener Wanderzellen in Leber und Milz der Versuchstiere. Auch in den Zellkulturen war die Invasionsrate einzelner Listeria-Stämme durchaus nicht etwa ausschließlich von einer außergewöhnlich guten Adhäsionsfähigkeit abhängig.

Demnach sei die Fähigkeit von Listeria an Zellen zu binden zwar die Voraussetzung für eine Invasion von Darmzellen, so Jaradat. Wie infektiös aber ein Listeria-Stamm sei, hänge noch von weiteren Qualitäten ab – etwa davon, wie schnell das Bakterium dann in die Zellen eindringen kann oder diese anschließend aus ihrem Zellverband herauslöst.

Der Grad ihrer zelluläre Anhänglichkeit kann demnach nicht als Maßeinheit des Gefährdungspotenzials einzelner Listerien herangezogen werden. Dennoch vermuten die Forscher in der für die Keime unverzichtbaren Zelladhäsion eine Achillesferse der bakteriellen Nahrungsmittelvergifter. Sie untersuchen den zugrundeliegenden molekularen Mechanismus nun genauer – in der Hoffnung, eine Infektion einmal stoppen zu lernen, bevor sie überhaupt beginnen kann.

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