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Genomanalyse: Kein Stress unterm Damoklesschwert

Das Wissen um ein hohes genetisches Krankheitsrisiko muss der Psyche nicht schaden.
Vor allem in den USA gibt es immer mehr Unternehmen, die anbieten, das persönliche, genetische Risiko für bestimmte Krankheiten zu testen – Kostenpunkt zwischen 100 und 1000 Dollar. Doch inwieweit beeinträchtigt das Wissen um eine ungünstige Veranlagung die seelische Gesundheit? Dieser Frage gingen Wissenschaftler der University of Michigan zusammen mit Forschern der Boston University School of Medicine nach. Ergebnis: Der Befund, genetisch vorbelastet zu sein, führt kaum zu psychischen Problemen – sofern der Patient zuvor richtig aufgeklärt wird und sein Gemüt sich nicht ohnehin schon in Schieflage befindet.

Die Mediziner um Scott Roberts und Robert Green untersuchten insgesamt 162 Personen, bei denen ein Elternteil an der Alzheimerkrankheit litt. Damit hatten die Probanden bereits ein erhöhtes Demenz-Risko von etwa 30 bis 35 Prozent – in der Gesamtbevölkerung liegt es nur bei rund 10 Prozent. Die Forscher boten ihren Versuchspersonen an, sie zusätzlich noch auf eine bestimmte Variante des Gens für das Apolipoprotein E zu testen: Wer epsilon-4-positiv ist, dessen statistisches Alzheimer-Risiko steigt auf mehr als 50 Prozent. Nach einleitender Information willigten acht von zehn Studienteilnehmern ein, ihr Erbgut untersuchen zu lassen. Generell raten nur wenige Ärzte ihren Patienten zu einem Gentest, denn der Nutzen scheint bei einer unheilbaren Krankheit wie Alzheimer gering. Zudem befürchten viele Experten negative psychische Folgen, sollte der Test positiv ausfallen.

Hier gab die Studie von Roberts und Green Entwarnung: Sie untersuchten die seelische Gesundheit ihrer Probanden sechs Wochen, sechs Monate und ein Jahr nach dem Test. "Erfuhren Studienteilnehmer, dass sie epsilon-4-positiv sind, zeigten sie keine vermehrten Symptome von Angst, Depression oder Stress im Vergleich zu denjenigen, die nicht über ihren Genotyp aufgeklärt wurden", fasst Robert Green die Ergebnisse zusammen. "Wer dagegen herausfand, dass er epsilon-4-negativ ist, wirkte anschließend wesentlich befreiter." Der Mediziner gibt jedoch zu bedenken, dass die Teilnehmer dieser Studie zuvor sorgfältig auf bestehende emotionale Probleme untersucht und intensiv über die Bedeutung der genetischen Prädisposition aufgeklärt wurden. (sc)


Green, R. C. et al.: Disclosure of APOE Genotype for Risk. In: New England Journal of Medicine 361(3), S. 245-254, 2009.

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