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News: Kein Zufall

Stück für Stück geht weltweit ursprünglicher Lebensraum verloren. Doch ist das Muster keineswegs zufällig, wie in vielen mathematischen Modellen angenommen - die Ergebnisse von Hochrechnungen zum Artensterben müssen daher vielleicht korrigiert werden.
Wo der Mensch wirkt, bleibt von dem ursprünglichen Lebensraum meist nur wenig übrig. Egal, ob es sich um Ackerflächen, Weiden oder Siedlungen handelt, mit jedem Quadratmeter beanspruchten Bodens geht den ehemaligen Bewohnern – Pflanzen und Tieren – ein Teil ihres Verbreitungsgebietes verloren. Wird das ursprünglich zusammenhängende Areal zu stark zerschnitten oder gar ganz zerstört, kann dies das Ende für manche betroffene Art bedeuten: Das Aussterben droht.

Klassische Modelle, mit denen das Risiko des Artenverlusts abgeschätzt wird, beziehen sich meist auf den aus der Inselbiogeographie bekannten Zusammenhang zwischen Fläche und Artenzahl: Je größer eine Insel – und dabei kann es sich auch um eine Habitatinsel handeln –, desto vielfältiger ist ihre Lebensgemeinschaft.

Allerdings haben diese Modelle nach Ansicht Eric Seablooms vom National Center for Ecological Analysis and Synthesis in Santa Barbara einen entscheidenden Haken: Sie gehen davon aus, dass der Lebensraumverlust zufällig erfolgt, die zerstörten Flächen also in keiner Weise geordnet im Gesamtareal liegen. Diese Annahme trifft jedoch sicherlich nicht zu, denn der Mensch wählt seinen Einflussbereich nach bestimmten Kriterien – und dieselben Kriterien sind womöglich die Grundlage für das Verbreitungsgebiet einer Art. Manche Tiere und Pflanzen, die ausgerechnet in vom Menschen begehrten Gebieten leben, sollten daher stärker gefährdet sein als andere.

Ob diese Vermutung zutrifft, überprüften Seabloom und seine Kollegen anhand der kalifornischen Vegetation. Sie verknüpften Verbreitungskarten mit geographischen und klimatischen Daten. Dazu fügten sie Anzeiger für die Zerstörung des Lebensraumes durch den Menschen: die prozentualen Anteile an landwirtschaftlicher Nutzfläche oder Siedlungsgebiet. Dann verglichen sie mithilfe eines mathematischen Modells, wie sich eine zufällige gegenüber einer räumlich verknüpften Lebensraumzerstörung auf die Artenzahl auswirkt.

Den Ergebnissen zufolge müssen bisherige Schätzungen zum Artensterben womöglich nach oben korrigiert werden. Denn die Zahl der gefährdeten Spezies stieg deutlich an, wenn beeinflusste oder zerstörte Flächen nah beieinander lagen oder gar aneinander grenzten – sie überschnitten sich damit in der Regel mit den Verbreitungsgebieten der Betroffenen. Lagen die nun unbewohnbaren Flächen jedoch zufällig verteilt, blieb den bedrohten Pflanzen meist irgendwo noch ein Überrest, in dem sie überdauern konnten, und die Gefahr des Aussterbens war somit geringer.

Dabei spielte es eine wichtige Rolle, ob die beeinflusste Region viele oder wenige Arten aufwies: Je größer die Diversität, desto höher stieg durch die Zerstörung die Aussterberate. War dabei die Verlustrate in allen Flächen vergleichbar, kurbelte dies den Artenrückgang stärker an, als wenn der Lebensraum in den betrachteten Gebieten unterschiedlich schnell voranschritt.

Insgesamt betrachtet lag der Artenrückgang für einen räumlich verknüpften Rückgang von Lebensraum in allen Szenarien höher als bei der Annahme einer zufälligen Verteilung der betroffenen Flächen. Diese zusammenhängende Zerstörung von Habitaten kann sogar von einer lokal hohen Artenvielfalt nicht ausgeglichen werden, im Gegenteil: Solche Gebiete sind besonders bedroht. Die Forscher fordern aber nicht, künftige Naturschutzkonzepte allein an der Artenzahl auszurichten. Es gehe vielmehr darum, die Vielfalt der Landschaft zu schützen – damit ergibt sich der Schutz für die tierischen und pflanzlichen Bewohner dann ganz von selbst.

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