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Fortpflanzung: Keine Gelegenheit macht noch mehr Liebe

Das Verhältnis zwischen Mann und Frau kann kompliziert sein, auch ohne dass auch noch ein Parasit dazwischenredet. Insekten haben es da gut: Hier kann eine Schmarotzer-Bedrohung von Außen die Geschlechter sogar enger aneinander schweißen und elterliche Anstrengungen verdoppeln.
<i>Hypolimnas-bolina</i>-Männchen
Niemand der an Sex, Tod und Schmetterlingen interessiert ist, kommt auf Dauer an Französisch-Polynesien vorbei. Was Otto Normalzeitungsleser als Archipel kennt, das einst der Grande Nation zum Zündeln an Testatombomben diente, lockt heutzutage Lepidoptero-, Bakterio- und Parasitologen mit anderweitig explosivem Stoff. Nirgendwo sonst als auf den dortigen Atollen manipulieren Keime mit Namen Wolbachia das intime Geschlechtsleben ihrer Hypolimnas-Schmetterlings-Opfer auf raffiniertere Weise. Um darüber im Namen der Wissenschaft mehr zu erfahren, muss auch einmal eine beschwerliche Forschungsreise in die Südsee ohne Zögern in Kauf genommen werden. Zuletzt opferten sich Sylvain Charlat und seine Kollegen vom University College London.

Hypolimnas-bolina-Weibchen | Ein Weibchen der Edelfalter-Art Hypolimnas bolina: Ob sie männlichen Nachwuchs bekommt, hängt von ihrer Heimat ab. In einigen Regionen sind die Schmetterlinge derart stark von Wolbachia-Untermietern geplagt, dass auf vierzig Weibchen gerade noch ein fortpflanzungsfähiges Männcehn kommt. Das Wolbachia-Bakterium tötet männliche und verschont weibliche Schmetterlinge.
Im Blickpunkt des anglo-franko- polynesischen Teams stand, wie schon bei früheren Untersuchungen, das auffällig häufige Sterben der Männchen, welches mit der Wolbachia-Infektion einer Schmetterlings- Gemeinschaft einhergeht. Das Bakterium ist bekannt dafür, infizierten Männchen zu töten, die Weibchen aber gleichzeitig zu verschonen. Der Sinn dieser Selektion ist, kurz zusammengefasst, eine der Bakterien-Vervielfältigung nützliche rasantere Durchseuchung der Gesamtpopulation, die sich nach theoretischen Modellrechnungen ergeben sollte – und nach praktischen Beobachtungen auch tatsächlich ergibt. Dies alles ist hochkomplex und spannend, in Kreisen Interessierter aber nichts Neues.

Charlat und Co wollten nun aber mehr über die Reaktionen herausfinden, die eine Wolbachia-Generalattacke bei den überlebenden Schmetterlingsbetroffenen auslöst. Schließlich muss auch ein Schmetterling versuchen, möglichst viel von sich selbst möglichst oft mit Hilfe seiner Gene in die nächste Generation zu retten. Und so sollten vereinsamte Weibchen einer Population, in der die Männchen großflächig dahin gerafft wurden, sich etwas einfallen lassen.

Die Ausgangslage ist dabei auf den ersten Blick klar: Mit dem Mangel an männlicher Gesellschaft sinkt natürlich die Möglichkeit zu geschlechtlichen Kontakten – oder nicht? Die Ergebnisse erster Feldstudien verwunderten die Wissenschaftler, denn in mit männermordenden Wolbachia infizierten Schmetterlingspopulationen taten die Weibchen offenbar erfolgreich ihr Bestes zur Kompensation: Bis zu einem gewissen Grad kopulierten sie nicht aus Mangel an Gelegenheit seltener, sondern sogar erkennbar häufiger als Artgenossinen, die auf von Wolbachia unberührten Pazifikinselchen lebten, wo demzufolge noch ein normal großes Männerangebot auf Gesellschaft hoffte.

Offenbar die sinnige Anpassung einer Spezies an ein durch natürliche Einflüsse gestörtes Geschlechterverhältnis, und für Charlats Team allemal einen noch genaueren Blick wert. Denn woran zum Beispiel erkennen die einsamer werdenden Weibchen eigentlich, dass ihre Gemeinschaft ohne Nachwuchsnachschub zu vergreisen und auszusterben droht?

Sie erkennen es an der nachlassenden männlichen Leistung, so die Schmetterlingsforscher. Denn Sex ist rein qualitativ nicht immer gleich Sex, erkannten Charlat und Co, als sie penibel die bei jedem Akt übertragenen Spermapakete im Inneren der weiblichen Schmetterlinge ausgezählt hatten, um die Kopulationshäufigkeiten zu ermitteln. Zusätzlich eruierten sie dabei millimetergenau, wie Umfang, Größe und Inhalt der Spermatophoren schwanken. Ergebnis: Je weniger Männer auf der Insel und je häufiger diese deswegen konkurrenzlos zur Tat schreiten sollten, desto weniger ergiebig waren die übertragenen Spermiengaben.

Dies lag nun nicht daran, dass die Männchen wiederum begannen, ihr Spermienangebot zu rationieren, sondern schlicht an zunehmender Erschöpfung. Deutlich wird dies in einer der gut zwanzig untersuchten Inselpopulationen, wo gründliche Wolbachien für vierzig fortpflanzungswillige Schmetterlingsweibchen auf ein überfordertes Männchen gesorgt hatten. Obwohl "die Paarungskapazität der Männchen enorm ist", beobachteten Charlat und Kollegen hier eine Situation in der "die Weibchen erkennbar durchaus häufiger gewollt hätten, die Männchen aber einfach zu selten und zu erschöpft waren". Trotz aller Bemühungen sollte eine solche Population eigentlich dem Untergang geweiht sein – wenn nicht fast unglaublich wäre, staunen die Forscher, wie ungemein populationserhaltend sich männliche Potenz und weibliche Promiskuität auch unter widrigen Umständen beim Schmetterling ergänzen.

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