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News: Keine Kontrolle über Gewalt

Jeder kennt solche Situationen, in denen man am liebsten aus der Haut fahren würde. Aber warum haben sich die meisten Leute recht gut in der Gewalt und können ihre negativen Gefühle kontrollieren, andere hingegen reagieren auf bedrohliche Emotionen mit Gewaltausbrüchen? Die Antwort scheint eine Unfähigkeit des Gehirns zu sein, eine bestimmte Region zu regulieren. Der Wut wird dann freier Bahn gelassen, und sie kann sich entladen.
Normalerweise findet im Gehirn eine feine Regulation aller im limbischen System entstehenden negativen Emotionen statt. An der Kontrolle des Wutausbruchs ist das Stirnhirn (orbitaler präfrontaler Cortex) beteiligt, das direkt über den Augenhöhlen liegt, und der Bereich, der den Verbindungsbalken zwischen beiden Hirnhälften ummantelt. In diesem Kontrollsystem spielt das Stirnhirn eine äußerst wichtige Rolle bei impulsiven Gefühlsausbrüchen, während die Ummantelung des Verbindungsbalkens die Konfliktantworten anderer Gehirnregionen einsammelt. Störungen in diesem Netzwerk haben Wissenschaftler schon länger mit psychischen Krankheiten wie Depressionen und schweren Angstzuständen in Zusammenhang gebracht.

Nun haben Psychologen um Richard Davidson von der University of Wisconsin-Madison auch für Aggressionen eine Ursache im Gehirn gefunden. Sie untersuchten in einer Studie mehr als 500 Probanden, die extrem aggressives Verhalten gezeigt hatten, darunter 41 als schuldig verurteilte Mörder und Personen, deren Gehirn während ihrer Kindheit Verletzungen erlitten hatte. Innerhalb dieser Gruppe stellten die Forscher fest, dass bei vielen Probanden die normale Hirnaktivität im Stirnhirnbereich gestört oder gar nicht vorhanden war. Die Kontrollmechanismen zur Verarbeitung negativer Gefühle funktionierten also nicht. Insgesamt scheint hier eine der Wurzeln von Gewalt zu liegen (Science vom 28. Juli 2000).

Im Zusammenhang mit impulsiven Gewaltausbrüchen untersuchte Davidsons Team auch Personen, die einen erniedrigten Spiegel an Serotonin im Gehirn zeigten – das Defizit des Botenstoffs war durch eine genetische Veränderung bedingt. Da viele der am Kontrollmechanismus beteiligten Gehirnregionen ihre Signale mittels Serotonin empfangen, führt ein geringer Spiegel des Signalstoffes zu einer verminderten Aktivität in diesem Bereich. Menschen mit diesem Gendefekt zeichneten sich ebenfalls durch gesteigerte Aggression und unkontrollierte Wut aus.

Die Psychologen hoffen nun, dass sie in Zukunft impulsive Gewalt mit einer Kombination aus Verhaltenstherapie und Medikamenten behandeln können, ähnlich wie Depressionen und Angstzustände.

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