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News: Keine Zeit für Inzucht

Eine Blüte öffnet sich. Die Pollensäcke sind bereit, ihren Inhalt freizusetzen, die Narbe erwartet die gelben Körnchen der Artgenossen. Doch wie verhindert eine Pflanze, dass sie sich selbst bestäubt? Manche asiatischen Ingwergewächse setzten auf konsequente Zeiteinteilung: Einige Vertreter kümmern sich morgens um den Pollenflug, während die Narben ihrer Verwandten empfangsbereit sind. Und pünktlich zu Mittag werden dann die Rollen getauscht.
Inzucht hat meist gravierende Folgen: Die Nachkommen sind oft nicht so lebenstüchtig wie ihre Artgenossen, deren Eltern weniger eng verwandt waren. Das gilt nicht nur für die Tierwelt – gerade die Samenpflanzen stehen vor dem Problem, wirklich fremde Gene für ihren Nachwuchs zu bekommen. Denn viele von ihnen tragen gleichzeitig männliche und weibliche Fortpflanzungsorgane und mussten sich daher ausgeklügelte Mechanismen einfallen lassen, um eine Selbstbestäubung zu verhindern. So werden bei manchen beispielsweise Stempel und Staubblätter zu unterschiedlicher Zeit reif, oder die Organe sind so angeordnet, dass der Pollen gar nicht auf die Narbe der selben Blüte gelangen kann.

Alpinia, eine asiatische Gattung der Ingwergewächse (Zingiberaceae), hat dabei noch ein weiteres Problem: Ihre Blüten überdauern nur einen Tag, der deshalb besonders ereignisreich ist: Pollen soll freigesetzt werden, ohne dass er auf die eigene Narbe gelangt, die aber gleichzeitig mit fremdem Pollen versorgt werden muss. Und das alles in den wenigen Stunden vom Morgen bis zum Abend. Aber nur so können letztendlich die Früchte entstehen, die eine neue Generation begründen. Und darum geht sie ganz besonders auf Nummer Sicher, berichten Forscher um Qing-Jun Li vom Xishuangbanna Tropical Botanical Garden in China.

Ein strenger Stundenplan ist für sie der Schlüssel zum Erfolg. Die Pflanzen einer Art treten in jeweils zwei unterschiedlichen äußeren Erscheinungsformen, so genannten Phänotypen, auf. Die eine Gruppe übt sich morgens als "Männchen" und setzt den Pollen frei. Damit in der Blüte herumkrabbelnde Insekten dabei die Körnchen nicht aus Versehen auf die empfangsbereite Narbe bringen, biegt sich der Griffel nach oben und bringt diese so außer Reichweite. Der andere Blütentyp hingegen hält den Pollen erst noch zurück und senkt den Griffel bogenförmig nach unten, damit er den pollenbeladenen Besuchern von anderen Blüten unausweichlich in die Quere ragt.

Zur Mittagszeit ist dann Wechseln angesagt. Bei den morgendlichen "weiblichen Pflanzen" beginnt der Griffel zu wachsen und weit über die pollentragenden Staubbeutel hinauszuragen. Ein Kontakt mit Blütenbesuchern ist nun nicht mehr möglich. Pünktlich zwischen halb drei und drei setzen dann die Staubbeutel ihre Fracht frei. Und auch die Angehörigen des anderen Phänotyps wandeln nun ihr Aussehen: Der Griffel beginnt sich nach unten zu neigen, sodass die Narbe schließlich – passend um zwanzig vor drei – in genau der richtigen Aufnahmeposition steht.

Wie schnell sich die Organe bewegen, hängt von den Wetterbedingungen ab, aber alle Blüten eines Phänotyps sind streng synchron. So öffnet sich der erste Staubbeutel der am Nachmittag frisch gebackenen Blüten der "männlichen Phase" erst dann, wenn auch die letzte Narbe der Gruppe außer Reichweite ist. Und die Taktik bewährt sich: Zwar produzieren auch selbstbestäubte Ingwerpflanzen Früchte, doch in deutlich geringerem Umfang. Den größten Ertrag liefern in allen Fällen und in beiden Phänotypen jeweils die Pflanzen, die mit dem Pollen der jeweils anderen Gruppe bestäubt wurden.

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  • Quellen
Nature 410: 432 (2001)

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